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schon vorüber und fast vergessen, aber damals hat es mich geradezu wütend
gemacht. Und nun sagen Sie selbst, daß Sie eine verheiratete Frau sind.« »Es
war nicht zu Ihrem Nachteil, daß Ihre Rede abgebrochen wurde. Man hat
nachher noch sehr ungünstig über sie geurteilt.« »Mag sein«, sagte K.
ablenkend, »aber Sie entschuldigt das nicht.« »Ich bin vor allen entschuldigt,
die mich kennen«, sagte die Frau, »der, welcher mich damals umarmt hat,
verfolgt mich schon seit langem. Ich mag im allgemeinen nicht verlockend
sein, für ihn bin ich es aber. Es gibt hierfür keinen Schutz, auch mein Mann
hat sich schon damit abgefunden; will er seine Stellung behalten, muß er es
dulden, denn jener Mann ist Student und wird voraussichtlich zu größerer
Macht kommen. Er ist immerfort hinter mir her, gerade ehe Sie kamen, ist er
fortgegangen.« »Es paßt zu allem anderen«, sagte K., »es überrascht mich
nicht.« »Sie wollen hier wohl einiges verbessern?« fragte die Frau langsam
und prüfend, als sage sie etwas, was sowohl für sie als für K. gefährlich war.
»Ich habe das schon aus Ihrer Rede geschlossen, die mir persönlich sehr gut
gefallen hat. Ich habe allerdings nur einen Teil gehört, den Anfang habe ich
versäumt und während des Schlusses lag ich mit dem Studenten auf dem
Boden. - Es ist ja so widerlich hier«, sagte sie nach einer Pause und faßte K.s
Hand. »Glauben Sie, daß es ihnen gelingen wird, eine Besserung zu
erreichen?« K. lächelte und drehte seine Hand ein wenig in ihren weichen
Händen. »Eigentlich«, sagte er, »bin ich nicht dazu angestellt, Besserungen
hier zu erreichen, wie Sie sich ausdrücken, und wenn Sie es zum Beispiel dem
Untersuchungsrichter sagten, würden Sie ausgelacht oder bestraft werden.
Tatsächlich hätte ich mich auch aus freiem Willen in diese Dinge gewiß nicht
eingemischt, und meinen Schlaf hätte die Verbesserungsbedürftigkeit dieses
Gerichtswesens niemals gestört. Aber ich bin dadurch, daß ich angeblich
verhaftet wurde - ich bin nämlich verhaftet -, gezwungen worden, hier
einzugreifen, und zwar um meinetwillen. Wenn ich aber dabei auch Ihnen
irgendwie nützlich sein kann, werde ich es natürlich sehr gerne tun. Nicht
etwa nur aus Nächstenliebe, sondern außerdem deshalb, weil auch Sie mir
helfen können.« »Wie könnte ich denn das?« fragte die Frau. »Indem Sie mir
zum Beispiel die Bücher dort auf dem Tisch zeigen.« »Aber gewiß«, rief die
Frau und zog ihn eiligst hinter sich her. Es waren alte, abgegriffene Bücher,
ein Einbanddeckel war in der Mitte fast zerbrochen, die Stücke hingen nur
durch Fasern zusammen. »Wie schmutzig hier alles ist«, sagte K.
kopfschüttelnd, und die Frau wischte mit ihrer Schürze, ehe K. nach den
Büchern greifen konnte, wenigstens oberflächlich den Staub weg. K. schlug
das oberste Buch auf, es erschien ein unanständiges Bild. Ein Mann und eine
Frau saßen nackt auf einem Kanapee, die gemeine Absicht des Zeichners war
deutlich zu erkennen, aber seine Ungeschicklichkeit war so groß gewesen,
daß schließlich doch nur ein Mann und eine Frau zu sehen waren, die allzu
körperlich aus dem Bilde hervorragten, übermäßig aufrecht dasaßen und sich
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155