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Licht nicht geweckt hätte. Ich war so erschrocken, daß ich fast geschrien
hätte, aber der Untersuchungsrichter war sehr freundlich, ermahnte mich zur
Vorsicht, flüsterte mir zu, daß er bis jetzt geschrieben habe, daß er mir jetzt
die Lampe zurückbringe und daß er niemals den Anblick vergessen werde,
wie er mich schlafend gefunden habe. Mit dem allem wollte ich Ihnen nur
sagen, daß der Untersuchungsrichter tatsächlich viele Berichte schreibt,
insbesondere über Sie, denn Ihre Einvernahme war gewiß einer der
Hauptgegenstände der sonntäglichen Sitzung. Solche langen Berichte können
aber doch nicht ganz bedeutungslos sein. Außerdem aber können Sie doch
auch aus dem Vorfall sehen, daß sich der Untersuchungsrichter um mich
bewirbt und daß ich gerade jetzt in der ersten Zeit, er muß mich überhaupt
erst jetzt bemerkt haben, großen Einfluß auf ihn haben kann. Daß ihm viel an
mir liegt, dafür habe ich jetzt auch noch andere Beweise. Er hat mir gestern
durch den Studenten, zu dem er viel Vertrauen hat und der sein Mitarbeiter ist,
seidene Strümpfe zum Geschenk geschickt, angeblich dafür, daß ich das
Sitzungszimmer aufräume, aber das ist nur ein Vorwand, denn diese Arbeit ist
doch nur meine Pflicht und für sie wird mein Mann bezahlt. Es sind schöne
Strümpfe, sehen Sie« - sie streckte die Beine, zog die Röcke bis zum Knie
hinauf und sah auch selbst die Strümpfe an -, »es sind schöne Strümpfe, aber
doch eigentlich zu fein und für mich nicht geeignet.«
Plötzlich unterbrach sie sich, legte ihre Hand auf K.s Hand, als wolle sie
ihn beruhigen, und flüsterte: »Still, Berthold sieht uns zu.« K. hob langsam
den Blick. In der Tür des Sitzungszimmers stand ein junger Mann, er war
klein, hatte nicht ganz gerade Beine und suchte sich durch einen kurzen,
schütteren, rötlichen Vollbart, in dem er die Finger fortwährend herumführte,
Würde zu geben. K. sah ihn neugierig an, es war ja der erste Student der
unbekannten Rechtswissenschaft, dem er gewissermaßen menschlich
begegnete, ein Mann, der wahrscheinlich auch einmal zu höheren
Beamtenstellen gelangen würde. Der Student dagegen kümmerte sich um K.
scheinbar gar nicht, er winkte nur mit einem Finger, den er für einen
Augenblick aus seinem Barte zog, der Frau und ging zum Fenster, die Frau
beugte sich zu K. und flüsterte: »Seien Sie mir nicht böse, ich bitte Sie
vielmals, denken Sie auch nicht schlecht von mir, ich muß jetzt zu ihm gehen,
zu diesem scheußlichen Menschen, sehen Sie nur seine krummen Beine an.
Aber ich komme gleich zurück, und dann gehe ich mit Ihnen, wenn Sie mich
mitnehmen, ich gehe, wohin Sie wollen, Sie können mit mir tun, was Sie
wollen, ich werde glücklich sein, wenn ich von hier für möglichst lange Zeit
fort bin, am liebsten allerdings für immer.« Sie streichelte noch K.s Hand,
sprang auf und lief zum Fenster. Unwillkürlich haschte noch K. nach ihrer
Hand ins Leere. Die Frau verlockte ihn wirklich, er fand trotz allem
Nachdenken keinen haltbaren Grund dafür, warum er der Verlockung nicht
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155