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Bedauern aber sprach er in derartig mechanischer Weise und mit fast falscher
Betonung aus, daß der Fabrikant, wenn er nicht ganz von der Geschäftssache
eingenommen gewesen wäre, es hätte bemerken müssen. Statt dessen zog er
eilig Rechnungen und Tabellen aus allen Taschen, breitete sie vor K. aus,
erklärte verschiedene Posten, verbesserte einen kleinen Rechenfehler, der ihm
sogar bei diesem flüchtigen Überblick aufgefallen war, erinnerte K. an ein
ähnliches Geschäft, das er mit ihm vor etwa einem Jahr abgeschlossen hatte,
erwähnte nebenbei, daß sich diesmal eine andere Bank unter größten Opfern
um das Geschäft bewerbe, und verstummte schließlich, um nun K.s Meinung
zu erfahren. K. hatte auch tatsächlich im Anfang die Rede des Fabrikanten gut
verfolgt, der Gedanke an das wichtige Geschäft hatte dann auch ihn ergriffen,
nur leider nicht für die Dauer, er war bald vom Zuhören abgekommen, hatte
dann noch ein Weilchen zu den lauteren Ausrufen des Fabrikanten mit dem
Kopf genickt, hatte aber schließlich auch das unterlassen und sich darauf
eingeschränkt, den kahlen, auf die Papiere hinabgebeugten Kopf anzusehen
und sich zu fragen, wann der Fabrikant endlich erkennen werde, daß seine
ganze Rede nutzlos sei. Als er nun verstummte, glaubte K. zuerst wirklich, es
geschehe dies deshalb, um ihm Gelegenheit zu dem Eingeständnis zu geben,
daß er nicht fähig sei, zuzuhören. Nur mit Bedauern merkte er aber an dem
gespannten Blick des offenbar auf alle Entgegnungen gefaßten Fabrikanten,
daß die geschäftliche Besprechung fortgesetzt werden müsse. Er neigte also
den Kopf wie vor einem Befehl und begann mit dem Bleistift langsam über
den Papieren hin- und herzufahren, hier und da hielt er inne und starrte eine
Ziffer an. Der Fabrikant vermutete Einwände, vielleicht waren die Ziffern
wirklich nicht feststehend, vielleicht waren sie nicht das Entscheidende,
jedenfalls bedeckte der Fabrikant die Papiere mit der Hand und begann von
neuem, ganz nahe an K. heranrückend, eine allgemeine Darstellung des
Geschäftes. »Es ist schwierig«, sagte K., rümpfte die Lippen und sank, da die
Papiere, das einzig Faßbare, verdeckt waren, haltlos gegen die Seitenlehne. Er
blickte sogar nur schwach auf, als sich die Tür des Direktionszimmers öffnete
und dort, nicht ganz deutlich, etwa wie hinter einem Gazeschleier, der
Direktor-Stellvertreter erschien. K. dachte nicht weiter darüber nach, sondern
verfolgte nur die unmittelbare Wirkung, die für ihn sehr erfreulich war. Denn
sofort hüpfte der Fabrikant vom Sessel auf und eilte dem Direktor-
Stellvertreter entgegen, K. aber hätte ihn noch zehnmal flinker machen
wollen, denn er fürchtete, der Direktor-Stellvertreter könnte wieder
verschwinden. Es war unnütze Furcht, die Herren trafen einander, reichten
einander die Hände und gingen gemeinsam auf K.s Schreibtisch zu. Der
Fabrikant beklagte sich, daß er beim Prokuristen so wenig Neigung für das
Geschäft gefunden habe, und zeigte auf K., der sich unter dem Blick des
Direktor-Stellvertreters wieder über die Papiere beugte. Als dann die beiden
sich an den Schreibtisch lehnten und der Fabrikant sich daran machte, nun
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155