Page - 103 - in Der Prozeß
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nach diesem Bilde die Einzelheiten der Tracht und des Sitzes nicht beurteilen,
die Pastellfarben sind für solche Darstellungen nicht geeignet.« »Ja«, sagte
K., »es ist sonderbar, daß es in Pastellfarben gemalt ist.« »Der Richter
wünschte es so«, sagte der Maler, »es ist für eine Dame bestimmt.« Der
Anblick des Bildes schien ihm Lust zur Arbeit gemacht zu haben, er
krempelte die Hemdärmel aufwärts, nahm einige Stifte in die Hand, und K.
sah zu, wie unter den zitternden Spitzen der Stifte anschließend an den Kopf
des Richters ein rötlicher Schatten sich bildete, der strahlenförmig gegen den
Rand des Bildes verging. Allmählich umgab dieses Spiel des Schattens den
Kopf wie ein Schmuck oder eine hohe Auszeichnung. Um die Figur der
Gerechtigkeit aber blieb es bis auf eine unmerkliche Tönung hell, in dieser
Helligkeit schien die Figur besonders vorzudringen, sie erinnerte kaum mehr
an die Göttin der Gerechtigkeit, aber auch nicht an die des Sieges, sie sah jetzt
vielmehr vollkommen wie die Göttin der Jagd aus. Die Arbeit des Malers zog
K. mehr an, als er wollte; schließlich aber machte er sich doch Vorwürfe, daß
er so lange schon hier war und im Grunde noch nichts für seine eigene Sache
unternommen hatte. »Wie heißt dieser Richter?« fragte er plötzlich. »Das darf
ich nicht sagen«, antwortete der Maler, er war tief zum Bild hinabgebeugt und
vernachlässigte deutlich seinen Gast, den er doch zuerst so rücksichtsvoll
empfangen hatte. K. hielt das für eine Laune und ärgerte sich darüber, weil er
dadurch Zeit verlor. »Sie sind wohl ein Vertrauensmann des Gerichtes?«
fragte er. Sofort legte der Maler die Stifte beiseite, richtete sich auf, rieb die
Hände aneinander und sah K. lächelnd an. »Nur immer gleich mit der
Wahrheit heraus«, sagte er, »Sie wollen etwas über das Gericht erfahren, wie
es ja auch in Ihrem Empfehlungsschreiben steht, und haben zunächst über
meine Bilder gesprochen, um mich zu gewinnen. Aber ich nehme das nicht
übel, Sie konnten ja nicht wissen, daß das bei mir unangebracht ist. Oh,
bitte!« sagte er scharf abwehrend, als K. etwas einwenden wollte. Und fuhr
dann fort: »Im übrigen haben Sie mit Ihrer Bemerkung vollständig recht, ich
bin ein Vertrauensmann des Gerichtes.« Er machte eine Pause, als wolle er K.
Zeit lassen, sich mit dieser Tatsache abzufinden. Man hörte jetzt wieder hinter
der Tür die Mädchen. Sie drängten sich wahrscheinlich um das Schlüsselloch,
vielleicht konnte man auch durch die Ritzen ins Zimmer hineinsehen. K.
unterließ es, sich irgendwie zu entschuldigen, denn er wollte den Maler nicht
ablenken, wohl aber wollte er nicht, daß der Maler sich allzusehr überhebe
und sich auf diese Weise gewissermaßen unerreichbar mache, er fragte
deshalb: »Ist das eine öffentlich anerkannte Stellung?« »Nein«, sagte der
Maler kurz, als sei ihm dadurch die weitere Rede verschlagen. K. wollte ihn
aber nicht verstummen lassen und sagte: »Nun, oft sind derartige
nichtanerkannte Stellungen einflußreicher als die anerkannten.« »Das ist eben
bei mir der Fall«, sagte der Maler und nickte mit zusammengezogener Stirn.
»Ich sprach gestern mit dem Fabrikanten über ihren Fall, er fragte mich, ob
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155