Page - 129 - in Der Prozeß
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der Advokat, erhob sich halb im Bett und stützte sich mit einer Hand auf die
Kissen. »Ich nehme es an«, sagte K., der straff aufgerichtet, wie auf der
Lauer, dasaß. »Nun, wir können ja auch diesen Plan besprechen«, sagte der
Advokat nach einem Weilchen. »Es ist kein Plan mehr«, sagte K. »Mag sein«,
sagte der Advokat, »wir wollen aber trotzdem nichts übereilen.« Er
gebrauchte das Wort »wir«, als habe er nicht die Absicht, K. freizulassen, und
als wolle er, wenn er schon nicht sein Vertreter sein dürfte, wenigstens sein
Berater bleiben. »Es ist nicht übereilt«, sagte K., stand langsam auf und trat
hinter seinen Sessel, »es ist gut überlegt und vielleicht sogar zu lange. Der
Entschluß ist endgültig.« »Dann erlauben Sie mir nur noch einige Worte«,
sagte der Advokat, hob das Federbett weg und setzte sich auf den Bettrand.
Seine nackten, weißhaarigen Beine zitterten vor Kälte. Er bat K., ihm vom
Kanapee eine Decke zu reichen. K. holte die Decke und sagte: »Sie setzten
sich ganz unnötig einer Verkühlung aus.« »Der Anlaß ist wichtig genug«,
sagte der Advokat, während er mit dem Federbett den Oberkörper umhüllte
und dann die Beine in die Decke einwickelte. »Ihr Onkel ist mein Freund, und
auch Sie sind mir im Laufe der Zeit lieb geworden. Ich gestehe das offen ein.
Ich brauche mich dessen nicht zu schämen.« Diese rührseligen Reden des
alten Mannes waren K. sehr unwillkommen, denn sie zwangen ihn zu einer
ausführlicheren Erklärung, die er gern vermieden hätte, und sie beirrten ihn
außerdem, wie er sich offen eingestand, wenn sie allerdings auch seinen
Entschluß niemals rückgängig machen konnten. »Ich danke Ihnen für Ihre
freundliche Gesinnung«, sagte er, »ich erkenne auch an, daß Sie sich meiner
Sache so sehr angenommen haben, wie es Ihnen möglich ist und wie es Ihnen
für mich vorteilhaft scheint. Ich jedoch habe in der letzten Zeit die
Überzeugung gewonnen, daß das nicht genügend ist. Ich werde natürlich
niemals versuchen, Sie, einen soviel älteren und erfahreneren Mann, von
meiner Ansicht überzeugen zu wollen; wenn ich es manchmal unwillkürlich
versucht habe, so verzeihen Sie mir, die Sache aber ist, wie Sie sich selbst
ausdrückten, wichtig genug, und es ist meiner Überzeugung nach notwendig,
viel kräftiger in den Prozeß einzugreifen, als es bisher geschehen ist.« »Ich
verstehe Sie«, sagte der Advokat, »Sie sind ungeduldig.« »Ich bin nicht
ungeduldig«, sagte K. ein wenig gereizt und achtete nicht mehr soviel auf
seine Worte. »Sie dürften bei meinem ersten Besuch, als ich mit meinem
Onkel zu Ihnen kam, bemerkt haben, daß mir an dem Prozeß nicht viel lag,
wenn man mich nicht gewissermaßen gewaltsam an ihn erinnerte, vergaß ich
ihn vollständig. Aber mein Onkel bestand darauf, daß ich Ihnen meine
Vertretung übergebe, ich tat es, um ihm gefällig zu sein. Und nun hätte man
doch erwarten sollen, daß mir der Prozeß noch leichter fallen würde als bis
dahin, denn man übergibt doch dem Advokaten die Vertretung, um die Last
des Prozesses ein wenig von sich abzuwälzen. Es geschah aber das Gegenteil.
Niemals früher hatte ich so große Sorgen wegen des Prozesses wie seit der
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155