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Mannes - damit war K. gemeint, der mit nichts anderem beschäftigt war, als
den Italiener zu überhören und die Worte des Direktors schnell aufzufassen -
vornehmen zu können, und er bitte ihn, wenn ihm die Stunde gelegen sei, in
zwei Stunden, etwa um zehn Uhr, sich im Dom einzufinden. Er selbst hoffe,
um diese Zeit schon bestimmt dort sein zu können. K. antwortete einiges
Entsprechende, der Italiener drückte zuerst dem Direktor, dann K., dann
nochmals dem Direktor die Hand und ging, von beiden gefolgt, nur noch halb
ihnen zugewendet, im Reden aber noch immer nicht aussetzend, zur Tür. K.
blieb dann noch ein Weilchen mit dem Direktor beisammen, der heute
besonders leidend aussah. Er glaubte, sich bei K. irgendwie entschuldigen zu
müssen und sagte - sie standen vertraulich nahe beisammen -, zuerst hätte er
beabsichtigt, selbst mit dem Italiener zu gehen, dann aber - er gab keinen
näheren Grund an - habe er sich entschlossen, lieber K. zu schicken. Wenn er
den Italiener nicht gleich im Anfang verstehe, so müsse er sich dadurch nicht
verblüffen lassen, das Verständnis komme sehr rasch, und wenn er auch viel
überhaupt nicht verstehen sollte, so sei es auch nicht so schlimm, denn für den
Italiener sei es nicht gar so wichtig, verstanden zu werden. Übrigens sei K.s
Italienisch überraschend gut, und er werde sich gewiß ausgezeichnet mit der
Sache abfinden. Damit war K. verabschiedet. Die Zeit, die ihm noch freiblieb,
verbrachte er damit, seltene Vokabeln, die er zur Führung im Dom benötigte,
aus dem Wörterbuch herauszuschreiben. Es war eine äußerst lästige Arbeit,
Diener brachten die Post, Beamte kamen mit verschiedenen Anfragen und
blieben, da sie K. beschäftigt sahen, bei der Tür stehen, rührten sich aber nicht
weg, bevor sie K. angehört hatte, der Direktor-Stellvertreter ließ es sich nicht
entgehen, K. zu stören, kam öfters herein, nahm ihm das Wörterbuch aus der
Hand und blätterte offenbar ganz sinnlos darin, selbst Parteien tauchten, wenn
sich die Tür öffnete, im Halbdunkel des Vorzimmers auf und verbeugten sich
zögernd - sie wollten auf sich aufmerksam machen, waren aber dessen nicht
sicher, ob sie gesehen wurden -, das alles bewegte sich um K. als um seinen
Mittelpunkt, während er selbst die Wörter, die er brauchte, zusammenstellte,
dann im Wörterbuch suchte, dann herausschrieb, dann ihre Aussprache übte
und schließlich auswendig zu lernen versuchte. Sein früheres gutes
Gedächtnis schien ihn aber ganz verlassen zu haben, manchmal wurde er auf
den Italiener, der ihm diese Anstrengung verursachte, so wütend, daß er das
Wörterbuch unter Papieren vergrub, mit der festen Absicht, sich nicht mehr
vorzubereiten, dann aber sah er ein, daß er doch nicht stumm mit dem
Italiener vor den Kunstwerken im Dom auf und ab gehen könne, und er zog
mit noch größerer Wut das Wörterbuch wieder hervor.
Gerade um halb zehn Uhr, als er weggehen wollte, erfolgte ein
telephonischer Anruf, Leni wünschte ihm guten Morgen und fragte nach
seinem Befinden, K. dankte eilig und bemerkte, er könne sich jetzt unmöglich
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155