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Tabak, in irgendeiner unbestimmten Richtung. Sein Benehmen war fast
unverständlich, K. wartete noch ein Weilchen, aber der Kirchendiener hörte
nicht auf, mit der Hand etwas zu zeigen und bekräftigte es noch durch
Kopfnicken. »Was will er denn?« fragte K. leise, er wagte es nicht, hier zu
rufen; dann aber zog er die Geldtasche und drängte sich durch die nächste
Bank, um zu dem Mann zu kommen. Doch dieser machte sofort eine
abwehrende Bewegung mit der Hand, zuckte die Schultern und hinkte davon.
Mit einer ähnlichen Gangart, wie es dieses eilige Hinken war, hatte K. als
Kind das Reiten auf Pferden nachzuahmen versucht. »Ein kindischer Alter«,
dachte K., »sein Verstand reicht nur noch zum Kirchendienst aus. Wie er
stehenbleibt, wenn ich stehe, und wie er lauert, ob ich weitergehen will.«
Lächelnd folgte K. dem Alten durch das ganze Seitenschiff fast bis zur Höhe
des Hauptaltars, der Alte hörte nicht auf, etwas zu zeigen, aber K. drehte sich
absichtlich nicht um, das Zeigen hatte keinen anderen Zweck, als ihn von der
Spur des Alten abzubringen. Schließlich ließ er wirklich von ihm, er wollte
ihn nicht zu sehr ängstigen, auch wollte er die Erscheinung, für den Fall, daß
der Italiener doch noch kommen sollte, nicht ganz verscheuchen.
Als er in das Hauptschiff trat, um seinen Platz zu suchen, auf dem er das
Album liegengelassen hatte, bemerkte er an einer Säule, fast angrenzend an
die Bänke des Altarchors, eine kleine Nebenkanzel, ganz einfach, aus kahlem,
bleichem Stein. Sie war so klein, daß sie aus der Ferne wie eine noch leere
Nische erschien, die für die Aufnahme einer Heiligenstatue bestimmt war.
Der Prediger konnte gewiß keinen vollen Schritt von der Brüstung
zurücktreten. Außerdem begann die steinerne Einwölbung der Kanzel
ungewöhnlich tief und stieg, zwar ohne jeden Schmuck, aber derartig
geschweift in die Höhe, daß ein mittelgroßer Mann dort nicht aufrecht stehen
konnte, sondern sich dauernd über die Brüstung vorbeugen mußte. Das Ganze
war wie zur Qual des Predigers bestimmt, es war unverständlich, wozu man
diese Kanzel benötigte, da man doch die andere, große und so kunstvoll
geschmückte zur Verfügung hatte.
K. wäre auch diese kleine Kanzel gewiß nicht aufgefallen, wenn nicht oben
eine Lampe befestigt gewesen wäre, wie man sie kurz vor einer Predigt
bereitzustellen pflegt. Sollte jetzt etwa eine Predigt stattfinden? In der leeren
Kirche? K. sah an der Treppe hinab, die an die Säule sich anschmiegend zur
Kanzel führte und so schmal war, als sollte sie nicht für Menschen, sondern
nur zum Schmuck der Säule dienen. Aber unten an der Kanzel, K. lächelte
vor Staunen, stand wirklich der Geistliche, hielt die Hand am Geländer, bereit
aufzusteigen, und sah auf K. hin. Dann nickte er ganz leicht mit dem Kopf,
worauf K. sich bekreuzigte und verbeugte, was er schon früher hätte tun
sollen. Der Geistliche gab sich einen kleinen Aufschwung und stieg mit
kurzen, schnellen Schritten die Kanzel hinauf. Sollte wirklich eine Predigt
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Der Prozeß
- Title
- Der Prozeß
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1926
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Keywords
- Roman, Literatur, Schriftsteller, Prozess
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1: Verhaftung - Gespräch mit Frau Grubach - Dann Fräulein Bürstner 5
- Kapitel 2: Erste Untersuchung 25
- Kapitel 3: Im leeren Sitzungssaal - Der Student - Die Kanzleien 37
- Kapitel 4: Die Freundin des Fräulein Bürstner 54
- Kapitel 5: Der Prügler 60
- Kapitel 6: Der Onkel - Leni 65
- Kapitel 7: Advokat - Fabrikant - Maler 80
- Kapitel 8: Kaufmann Block - Kündigung des Advokaten 116
- Kapitel 9: Im Dom 138
- Kapitel 10: Ende 155