Page - 227 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
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in den Zusammenhängen und Verbindungen mit den Din-
gen und Menschen, in denen du früher warst und die aiiein
das besondere Dasein ausmachen, du bist nicht mehr da
in deinen besondern Interessen, in deinen Sachen, in den
vielen Gegenständen, in denen du sonst warst, du bist nur
noch in dem Einen, was Gegenstand deiner Liebe, alles
außer ihm ist Eitelkeit, ist Nichts; der feste und sichere
Grund, worauf du sonst standest, ist unter dir hinweg-
gezogen, du stehst am Rande des völligen Untergangs,
du bist hinabgesunken in einen unergründlichen Abgrund.
Ebenso von dem Gegenstande deiner Liebe ist nicht dieses
oder jenes, einiges, Besonderes, Gegenstand deiner Liebe,
sondern alles Trenn- und Teilbare, Verschiedenartige, Be-
sondere löst sich in eines auf, das alles ist. Es ist der Gegen-
stand deiner Liebe z. B. eine Person. Solange du sie nicht
liebst, hat nur das Besondere, was du eben nur immer an
ihr bemerken und unterscheiden kannst, für dich Dasein,
ihr Charakter, Eigenschaften, gute und schlechte Seiten,
ihre Züge usw. sind nur Gegenstand deiner Anschauung,
sind in deiner Anschauung wie im Räume gleichsam außer-
einander, und das ganze Bild zusammen ist nur wie ein
räumliches Ganzes; indem aber sie zu dir und du zu ihr
in das Verhältnis der Liebe trittst, so wird jetzt Wesen
Gegenstand des Wesens, Wesen berührt Wesen; und in
dieser Wesenseinheit verschwindet ebenso ihr wie dein
getrenntes Fürsichsein und Besonderssein, nebst allen
Besonderheiten und Trennungen an dir und an ihr, und
zwischen dir und ihr. Was daher nicht negieren und ab-
strahieren kann, ist der Liebe unfähig und unteilhaftig, die
Tätigkeit des Liebens ist wie die Tätigkeit des Denkens
eine Tätigkeit der Abstraktion, unterschieden freilich nach
dem Gegenstand und Inhalt. Du, der du ohne Liebe un-
trennbar bist von deinem besondern Dasein, wirst mit
ihm daher in der Liebe zunichte, aber dieses Vergehen ist
zugleich ein neues und herrlicheres Sein, du bist daher in
der Liebe und bist auch nicht, sie ist Sein und Nichtsein
in einem; Leben und Tod als ein Leben. Sie gibt Leben und
/ Süß ist jede Verschwendung; oh laß' mich der Schönsten
genießen! / Wer sich der Liebe vertraut, hält er sein / Leben
zu Rat?/Goethe: Amyatris (gehört / auch zum Anfang).
20 Feuerbach i 227
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften