Page - 252 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
Image of the Page - 252 -
Text of the Page - 252 -
Leben wäre also diesseitiges, wäre wieder dieses Leben,
das wir hier leben. Sollten übrigens die unsterblichen
Individuen nur räumlich sein, ohne die übrigen Lasten,
die notwendig mit dem Räume verbunden sind, an sich
zu tragen, so bleibt wahrlich nichts übrig, als daß die
nach ihrem Tode existierenden Individuen mathematische
Figuren oder doch wenigstens den Linien und Dreiecken
höchst ähnliche Wesen sind, allein die Linien und Drei-
ecke fallen auch schon in dieses Leben. 1
Da also das Leben der nach dem Tode als Individuen
fortlebenden Individuen notwendig in das Leben vor dem
Tode fällt, so war es daher ganz in der Ordnung, daß man
in neuern Zeiten, nachdem man sich einmal2 von den
trüben Vorstellungen eines Gespenster- und Schattenreichs,
eines Hades und Scheols, eines dunkeln Aufenthalts der
Toten in oder auf3 der Erde entfernt hatte, die Sterne
zu den Aufenthaltsörtern der Abgeschiedenen bestimmte.
In der Tat, du wirst auch, wenn du die ganze Welt durch-
irrtest, keinen Ort finden, der angemessner wäre für das
Leben der Toten als die Sterne, zumal da dieser Aufent-
haltsort noch diesen Vorteil überdies4 für sich hat, daß
dadurch das Leben nach dem Tode wenigstens in eine
scheinbare Entfernung von dem Leben vor dem Tode
gerückt wird und die Toten die Lebenden nicht mehr
in ihrem Leben5 drücken und genieren können, wie es bei
ihrem ehemaligen Aufenthaltsort der Fall war.6 Bei dieser
Vorstellung von den Sternen als Wohnplätzen Lebender7
geht das Individuum von dem allgemeinen Grundsatze
aus, daß diese unzähligen Körper umsonst wären, wenn sie
nicht von lebenden Wesen bewohnt wären, und daß es
daher dem Wesen der Natur, die nichts umsonst mache,
und der Weisheit ihres Schöpfers widerspräche, wenn sie
1 In A Leerzeile vor dem nächsten Absatz.
2 In B folgt Zusatz: von dem Glauben an einen imaginären
H i m m e l und
3 unter B
4 . In der Tat . . . überdies: — eine Lokalität, die besonders die-
sen Vortei l B
5 in . . . Leben Fehlt in B.
6 In B folgt Gedankenstrich.
7 als . . . Lebender Fehlt in B.
252
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften