Page - 256 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
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es denn in aller Welt nicht auch Zahnmenschen geben ?
Ein hohler, ein menschenleerer Zahn wäre eine himmel-
schreiende Lücke in der Weltschöpfung! Also müssen
wir Zähne unsre eigne [n] Bürger und Bewohner haben.
Welch ein Tor ich doch früher war, wo ich mich noch
für einen Menschen hielt, wo ich nur tote, selbst- und be-
wußtlose Glieder und Teile, zwecklos in sich seihst, sich
bewegen sah, um mich, dieses eine Individuum, außer
ihnen hervorzubringen, ich sehe nun lauter Menschen,
wo ich sonst nur Glieder sah, ich selbst, dieser eine Mensch,
bin nun eine unzählbare Menschenmenge!1
In deiner Anschauung von den Sternen stößt du dich
bloß an dem sinnlich selbständigen Dasein, an der Größe
und Menge dieser Weltkörper; sie sind doch, sie existieren;
wozu also diese unendlichen Welten2, wenn sie nicht
für etwas, für lebendiges Dasein, wenn sie nicht belebt,
sind? Du hast recht darin, daß du das Leben als Zweck
eines Körpers setzt; du irrst aber darin, daß du glaubst,
daß jene Körper ebenso, wie sie dem Raum, dem Dasein
nach selbständig sind, so auch ihrem Zwecke und Wesen
nach selbständig sein müssen, d. h., daß dieser besondere
Körper, den du mit deinem Auge dem Orte nach fixierst,
umsonst ist, wenn nicht das, was du auf dieser Erde findest
und als ihren Zweck anerkennst, in und auf diesem Körper
selbst enthalten ist, daß also dieser unermeßliche Raum
zwecklos ist, wenn in ihm selbst kein Leben ist; und be-
fangen in diesem Irrtum, überschattest und bevölkerst du
daher, ohne weitern Anstand zu nehmen, die fernen Welten3
1 In A und B folgt Leerzeile vor dem nächsten Absatz.
2 Körper B
3 , ohne . . . Welten: die fernen Weltkörper ohne Ausnahme
und Unterschied B, wo zum Wort Unterschied als Zusatz
außerdem die folgende Fußnote Feuerbachs gehört: Diese Be-
schränkung und noch einige andere Modifikationen sind die
einzigen materiellen Veränderungen, die ich mir i n dem
Abschnitt von den Sternen erlaubte, erstlich weil er in
seiner alten Fassung nur eine jugendliche Abschweifung
v o m Thema war, zweitens weil ich, so absurd ich die gewöhn-
liche rationalistisch-teleologische Anschauung finde, welche
jeden glänzenden Punkt mit lebendigen Wesen bevölkert,
doch ebenso töricht es finde, Weltkörpern, wie z. B. Venus,
Mars, individuelles, bewußtes Leben absprechen zu wollen.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften