Page - 260 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
Image of the Page - 260 -
Text of the Page - 260 -
Zwecks besonderes, selbständiges Dasein haben, wie der
Körper und seine Teile, so ist der Zweck jener Himmels-
körper nicht unmittelbar mit ihnen verbunden, nicht auf
ihnen selbst, sondern in einer U n g e h e u e r n Entfernung
von ihnen, auf der Erde, verwirklicht. Der Zweck liegt
immer außer und über dem Dasein, fern von ihm; und um
diesen Zweck zu verwirklichen, braucht die Natur die
weitesten, breitesten Wege, keine einfachen, sondern die
kompliziertesten, in sich verschlungensten, ausgedehntesten
und umfangreichsten Anstalten 1 und Mittel; gleichwie
der menschliche Körper die verwickeltste, buntfarbigste,
U n t e r s c h i e d s vollste, weitschweifigste, fächer-, glied- und
teilreichste Anstalt ist, die man sich denken kann, und
doch ist die Wirkung, der Endzweck dieser ungeheueren
Anstalt nur ein Gefühl, ein Leben, eine Seele. Um diese
Wahrhei t sich anschaulich zu machen, denke man nur
z. B. an den Verdauungsprozeß. Der Zweck ist nur durch
Mittel zu erreichen, das heißt eben, er ist nicht unmittelbar
eins mit dem Dasein, er ist getrennt von dem, was einen
Zweck hat und was des Zweckes wegen da ist. Der Zweck
liegt über der Erscheinung. Der Zweck setzt vielmehr
Zweckloses voraus, denn das eben, was vom Zwecke zum
Mittel erniedrigt wird, ist ja eben dadurch zu einem
bloßen Mittel, d. h. einer Erscheinung, die in sich selbst
und für sich selbst kein Wesen, keinen Zweck hat, erniedrigt.
Gerade der Zweck nimmt dem sinnlich und scheinbar
Selbständigen seine Selbständigkeit, seinen Wert, die
Bedeutung, für sich selbst sich Zweck zu sein. Wenn ich die
Verehrung Gottes z. B. zu meinem Zwecke mir setze,
so nehme ich allem andern, was einem sinnlichen Menschen
als selbständig, als Zweck gilt, seine Selbständigkeit, es ist
mir für sich selbst nichts, es ist mir nur Mittel, über es
selbst hinaus zu einem von ihm selbst fern abliegenden
Ziel zu gelangen. Jeder Zweck ist vernichtend; wo keine
Zerstörung, keine Vernichtung und Aufgebung der selb-
ständigen Existenz ist, da ist kein Zweck. Zweck ist Geist,
aber der Geist ist der Tod, der Zerstörer des Sinnlichen.2
1 Hier beginnt der Text eines weiteren Teilstücks in H. Der
folgende Text bis des Sinnlichen (vgl. Fußnote 2) in H ge-
strichen.
2 Dasselbe gilt nun von der Materie, [vgl. S. 258] . . . des
260
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften