Page - 283 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
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Tod. Denn in dem Tode ist kein Leben, er ist die reinste
Wüste, die entsetzlichste Lebensleere. Wohl tritt immer
wieder ein neues Wesen an die Stelle des gestorbenen; aber
dieses Wesen, das jetzt ist, einst nicht mehr ist, dieses be-
stimmte Wesen kehrt nie wieder, ist auf ewig hin; dieser
Ort, wo dieses Wesen war, bleibt immer leer, das Wesen
ist dieses Wesen nur einmal, der Mensch ist dieser ganz be-
stimmte Mensch nur jetzt, nur einmal 1; das andere, neue
unterschiedne Wesen, das an seine Stelle kommt, füllt eben,
weil es ein andres ist, jenen Platz, wo das erste war, nicht
aus, sonst müßte es ganz dasselbe mit dem vergangnen
sein. Die ganze W'elt ist so porös wie ein Schwamm, die
ganze Erde 2 durchlöchert wie ein Sieb,3 überall sind Spal-
ten, Sprünge, Risse; so viele, als4 Gestorbene sind, soviel
leere Räume und unbesetzte Plätze gibt es, jeder Tod ist
ein gewaltiger Riß und Spalte5 in der lebendigen Natur.
Was ist nun die Hohlheit und Leerheit des Himmelskör-
per[sj6, dieser unschädliche räumliche Mangel, der darum
nur Mangel in deiner Einbildung ist, gegen den lebendigen,
den qualitativen Mangel des Lebens, gegen die schmerz-
liche Verneinung des Lebens, den Tod? Oh, du Narr, der
du vor lauter Mängeln nicht den Mangel, vor eingebildeten
Lücken nicht die wirkliche Lücke siehst! Hätten deine
Einbildungen in der Natur Grund und Realität, so würde
die Kette der Lebendigen eine weder durch den Raum
noch durch den Tod unterbrochne Kette sein; denn die
lebenden Wesen auf dem Saturn oder Uranus machen
den positiven Mangel auf der Erde nicht gut. Die andern
lebenden Wesen würden und müßten sein die ununter-
brochne Fortsetzung der hier lebenden Wesen, die von
diesen selbst nicht unterschiedene, unmittelbar und unge-
trennt7 mit ihnen zusammenhängende Fortsetzung ihres
Lebens. Die Stelle des Todes füllten die andern lebenden
Wesen ein, das Leben der andern Wesen würde unmittel-
1 dieses M a l B
2 W e l t . . . Erde: Erde ist daher so B
3 In B folgt Zusatz: so porös wie ein Schwamm;
4 Fehlt, mitsamt dem Komma davor, in B.
5 und Spalte Fehlt in B.
6 So ergänzt auch B.
7 und ungetrehnt Fehlt in B.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften