Page - 285 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
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Wenn du also die Grenze des Lebens dadurch aufzu-
heben versuchst, daß du die Himmelskörper mit lebenden
Wesen bevölkerst, so setzest du, wie es im Sprüchwort
heißt, den Fleck neben das Loch, indem du damit nicht
den Tod belebst und ausfüllst. Den schaffe aus der Welt!
Solange daher noch ein Ach und Wehe, ein Todesschrei
durch die Ohren in meine Seele dringt, solange halte ich
mich berechtigt, jene Zu- und Nachsätze auf den Sternen,
überhaupt alle deine Erweiterungen, Repetitionen und
langweiligen Wiederaufwärmungen des Lebens für bloße
Einbildungen zu erklären. Dieses letzte Röcheln selbst
eines sterbenden Kalbes oder Schweines ist der sprechend-
ste oder vielmehr schreiendste Beweis von den leeren
Räumen in der Natur, ist ein Ton aus der wüsten Tiefe
der Natur zu uns herauf, der uns über die fernsten Welt-
teile belehren und offenbaren kann, daß der Tod hier auf
der Erde nicht das Leben enden würde, wenn es überhaupt
noch ein andres Leben gäbe, daß der Tod nicht das Ende
dieses Lebens wäre, wenn nicht schon dieses Leben das
Ende und die Grenze alles Lebens wäre und darum schon
in diesem Leben alle möglichen Leben und Lebensformen
enthalten, entwickelt und dargestellt wären.1
Die Vorstellung, daß man nach dem Tode von Stern
zu Stern wandele, daß auch schon die Sterne'2 fertige und
bequeme Wohnplätze lebendiger Einzelwesen seien, ist
besonders deswegen der Natur und dem Geiste wider-
sprechend, leer und flach, daß 3 sie die große und ernste
Tragödie der Natur in den gemeinen Kreis des bürger-
lichen und 4 ökonomischen Philisterlebens hineinzieht, die
tiefen Abgründe der Natur zu seichten Wiesenbächen
macht, an 5 denen die Individuen liebliche Vergißmeinnicht
pflücken, bei Tee und Kaffee sich vor dem brennenden
1 Wenn du also . . . dargestellt wären. Fehlt in B, wo dann die
nachstehenden Ausführungen, in veränderter Formulierung,
auf den in B mit W e n n der Mensch beginnenden und mit
Tode noch fort (im vorliegenden Band Seiten 268, Fußnote 2,
bis 272, Fußnote 2) schließenden Absatz folgen.
2 In B folgt Zusatz:, und zwar ohne Ausnahme,
3 weil B
4 Fehlt in B: statt dessen dort Komma.
5 in B
2S5
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften