Page - 294 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
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schöne Gestalt ist die letzte sinnliche Gestalt; denn eine
schöne Gestalt ist nur die von einem Geiste transparent
gemachte und durchnĂ€Ăte, von einem Geiste durch-
schienene und ihn abspiegelnde Gestalt, und eine solche
ist auch die höchste und letzte Form aller Leiblichkeit.
Schön ist etwas nur auf dem Punkte seiner VergÀnglichkeit.
Von der Schönheit ist VergÀnglichkeit unzertrennlich,
diese ist nicht eine Folge von jener, die VergÀnglichkeit
ist vielmehr der Grund der Schönheit; die VergÀnglichkeit
kommt nicht von auĂen hinzu oder von hinten drein;
im Verschwinden allein, im Vergehen ist das Sinnliche
schön; nur in dem Drange des verschwindenden Zeit-
moments, nur auf der Endspitze seines Daseins, auf der
Grenze seines Lebens lodert ein Wesen auf in den Farben-
schein der Schönheit; nur wo der Anfang an das Ende
stöĂt, wo die harten Extremen des Seins und Nichtseins
zusammenstoĂen, entspringt der leuchtende Funke der
Schönheit. Wie das Sein nicht im Bestehen, sondern nur
im Vergehen Reiz, Geist, Sinn und Bedeutung hat, so
ist ein Wesen nicht innerhalb und in der Mitte seines Seins
schön, sondern wo Sein an Nichtsein grenzt, an dem letzten
Endpunkte, wo sein Sein nur noch Schein ist, wo es daher
die Bedeutung seines Seins erst erfÀhrt, ihm nur noch der
RĂŒckblick und die Erinnerung gleichsam ĂŒbrigbleibt,
nur in dieser Erinnerung, in dieser Reflexion und Wider-
spiegelung wird das Sein Schönheit; gleichwie z. B. die
Pflanze nicht in den BlÀttern, den Wurzeln, dem dauern-
den Stamme, sondern in der Blume, dem vergÀnglichsten
Endpunkt ihres Daseins, schön ist. Das Schöne ist das Sinn-
liche in seinem Ăbergange zum Geistigen; nur im Ver-
gehen geht aber das Sinnliche in den Geist ein; schön
ist daher das Sinnliche nur da, wo es aufhört, Sinnliches
zu sein, wo es verschwindet; nicht nach dem Verschwinden,
wo nur das reine Nichts des Sinnlichen, die reine Nega-
tion desselben, das Unsinnliche, der Geist, ist, nicht vor
dem Verschwinden, wo es nur Sinnliches ist und nur im
Sinnlichen besteht, sondern nur im Verschwinden. Die
Passus ersetzt in B die hier folgenden SÀtze von A: die schöne
Gestalt ist die letzte bis i n den Geist verschwindet (vgl. Seite
2g5, FuĂnote 1),
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften