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Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
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mählich am Feuer der Liebe ihre natürliche Widerspenstig- keit und Sprödigkeit verlieren, nur dem beständigen, ver- trauten Liebhaber die Mysterien ihres Wesens enthüllen und die letzte Gunst erst dann ihm gewähren, wenn er die härtesten Wasser- und Feuerproben aller Art glücklich bestanden hat. Darum ist auch die wahre Lektüre — und was diese ist, erfahren wir eben allein an wahrhaft guten Büchern — ein Akt der lebensvollsten Innigkeit. Obwohl wir in der Lektüre nur bei Fremden zu Gaste sind, so ist es uns doch so wohl, so heimlich, als wären wir bei uns zu Hause, als wären die lieben Gastgeber schon von Kindsbei- nen an unsere vertrautesten Stubenkameraden gewesen. Wir werden in ihr eines andern Wesens als unser eigenstes1 inne, durchdrungen von demselben Entzücken, das Adam bei dem Anblick der Eva erfuhr. „Wenn ich Thomson lese", sagt der Engländer Godwin, „bin ich Thomson, wenn ich Milton lese, bin ich Milton; ich finde, daß ich eine Art von geistigem Chamäleon bin, welches die Farben von den Gegenständen annimmt, in deren Nähe es sich befindet." Und der altdeutsche Denker Sebastian Frank von Word sagt von den Büchern: „Ihr einiger rechter Gebrauch sei, daß wir ein Zeugnis unseres Herzens darinnen suchen." Die Indier kannten nur eine Seelenwanderung vor und nach dem Leben. Es gibt aber auch schon im Leben eine Metempsychose. Diese ist die Lektüre. Beneiden wir dar- um nicht den Brahminen Amarou, daß er nacheinander die Gestalten von hundert Weibern annahm und daher so glücklich war, die Geheimnisse der Liebe im Originaltexte selbst lesen zu können! Welch ein herrlicher Genuß ist es nicht, in die Seele eines Plato, eines Goethe sich zu ver- wandeln ! Freilich — es ist traurig genug — fahren wir auch auf dieser Seelenwanderung oft in die Seele eines Kamels, eines Esels und andrer niedriger Geschöpfe. Indes hat es doch auch seinen großen Nutzen, zu wissen, wie es in der Seele eines Esels aussieht. Daher hat man mit Recht ge- sagt, es sei kein Buch so schlecht, aus dem man nicht etwas lernen könne. 1 unser eigenstes: unseres eigensten C 557
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Ludwig Feuerbach Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
Title
Ludwig Feuerbach
Subtitle
Gesammlte Werke
Volume
1
Editor
Werner Schuffenhauer
Publisher
AKADEMIE-VERLAG BERLIN
Date
1981
Language
German
License
PD
Size
11.6 x 17.8 cm
Pages
468
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Gedanken über Tod und Unsterblichkeit 175
    1. Vorsprüche 177
    2. Demütige Bitte 179
    3. Vorwort des Herausgebers 180
    4. Einleitung 183
      1. I. Gott 203
      2. II. Zeit, Raum, Leben 241
      3. III. Geist, Bewußtsein 318
      4. IV. Reimverse auf den Tod 360
      5. V. Schluß 388
      6. VI. Anhang: Xenien 407
  2. Der Ursprung des Bösen nach Jakob Böhme 517
  3. Abälard und Heloise oder Der Schriftsteller und der Mensch 533
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