Page - 593 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
Image of the Page - 593 -
Text of the Page - 593 -
diesem mehrmaligen Wechsel seines Standes, nochmals
neuen Fluten der Unbeständigkeit sich überlassend, erst
in der geistigen Tätigkeit der Schriftstellerei seine Ruhe-
stätte fand, wo er vorzüglich die Leidenschaften, deren
Macht er selbst im Leben erfahren hatte, zum Gegenstande
seiner Reflexionen und Darstellungen machte; wie dem
originellen Cbladni, dessen „größter Wunsch, nach welchem
sich alle anderefn] Wünsche bequemen mußten, war, ein
freier Weltbürger zu sein und als solcher, ohne durch
Verpflichtungen an einen Staat, an ein Amt, an eine
Familie, an einen Freund gebunden zu sein, ein freies,
sorgenloses Leben zu führen". Macht auch gleich der Geist,
weil er eben wegen seiner Genialität nichts weniger als ein
Stubenhocker und Philister ist, die gemeinen Strapazen
und Feldzüge des Lebens mit, so tritt er doch nie in förm-
lichen Dienst bei der Welt; er engagiert sich nur als
Volontär, wie einst Cartesius bei den Holländern, den
Bayern und Österreichern ohne Sold freiwillig Dienste
nahm und mit ihnen in den Krieg zog, nicht um selbst
als Schauspieler auf dem Theater der Welt aufzutreten —
was er übrigens, im Vorbeigehen sei es gesagt, unbeschadet
seiner philosophischen Würde recht gut hätte tun können,
da selbst Louis XIV., den Frankreich als seinen größten
König feiert, in den Komödien Molieres als Ballettänzer
auf dem Theater mitspielte —, sondern nur, um mit der
Teilnahme des persönlich gegenwärtigen Zuschauers die
Komödie des Lebens von Anfang bis zu Ende durch alle
Akte hindurch mitzumachen.
Wahr ist es allerdings — wer es mit Stillschweigen über-
gehen wollte, würde an seiner Wahrhaftigkeit, der ersten
Tugend des Schriftstellers, gegründeten Zweifel erregen — ,
wahr ist es, sage ich, daß ihrerseits die Welt, aus weis-
lichen, jedoch auf flacher Hand liegenden Gründen, sich
alle erdenkliche Mühe gibt, den Geist irgendwo und -wie
unterzubringen und an einen bestimmten Geschäftszweig
zu gewöhnen, weil er ihr wider Willen doch immer einiger-
maßen imponiert und sie schon durch sein bloßes Dasein
in manche nicht geringe Verlegenheit setzt. Aber sie offe-
riert ihm nur zu seinem Wirkungskreise ein ganz kleines,
kleines Plätzchen, wo sie ihn so recht kontrollieren, bei
jeder Gelegenheit ihm auf die Finger klopfen kann, aus
593
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften