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gezogen und jahrelang bloĂź ĂĽber den BĂĽchern gelegen; mich
nimmt's Wunder, daß er darum nicht auch schon, längst
so ein saubres Ende genommen hat wie jener Italiener —
Flamminius schrieb sich, glaub' ich, der närrische Kauz —,
der auch so einen widernatĂĽrlichen Hang zur Einsamkeit
hatte, von jeher ein Zeichen böser oder irrer Gemüter,
daĂź er mit keinem Menschenkinde umging, nie jemanden
zum Essen einlud, noch sich je invitieren lieĂź, nicht einmal
einen Diener oder eine Magd um sich duldete, aber dafĂĽr
auch — oh, nehmt euch ein Exempel daran, ihr hochfahren-
de [n] 1 Gelehrte[n], die ihr den göttlichen Funken des süßen
Geseiligkeitstriebes entweder gänzlich in euch ersticken
oder nur zu dem schändlichen Gebrauch bewahren wollt,
um an ihm eure öltriefigen Lampen zum Behufe eurer
übernächtigen Kopfarbeiten anzünden zu können — zur
gerechten Strafe, ohne Mitwissen seiner Freund- und
Nachbarschaft, ja ohne den Beistand der Geistlichkeit
zwischen seinen auf dem Boden herumliegenden BĂĽchern
seinen misanthropischen Geist aufgab. Oft hat er sich
gar, wie der alte Heidendichter Euripides, der's mit seinen
Gottlosigkeiten und Freigeistereien selbst den Heiden oft
zu bunt machte, in einer finstern Spelunke verborgen,
um seinen melancholischen , lichtscheuen Gedanken um so
ungestörter Raum geben zu können, dann aber hat er
wieder, der Tollkopf — ihr dürft mir's glauben, ich hab's
vom Montaigne —, zu Zeiten einen solchen Spektakel sich
in seinem Hause machen lassen, daß man hätte meinen
sollen, es wären alle Teufel bei ihm los und beisammen.
Und warum? Weil er die Narrheit hatte, sich einzubilden,
die Seele zöge sich, wie ein Dachs bei dem Geklapper eines
Treibjägers, bei diesem äußern Tumult in ihren eignen
Bau zurück. Ferner hat er mit dem säubern Franzos,
von dem ich euch eben gesprochen, auch die sinnlose
Kaprice schon von Jugend auf gemein gehabt, daĂź er fast
bis zur Mittagsstunde hin, wo wir andern schon längst
das FrĂĽhstĂĽck und Zehnuhrbrot durchgeschwitzt hatten
und nicht erwarten konnten, bis der Tisch gedeckt war,
in seinem Bette — ob, menschlicher Aberwitz, wie hast
du von jeher die Ordnung der Dinge verkehrt! — liegen
1 So ergänzt auch C.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften