Page - 630 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Volume 1
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Raum einnimmt, will ich gerne fahrenlassen und über
Bord werfen. Du sollst einen lustigen Reisekameraden an
mir finden, und wenn du nur dann und wann auf einer
schönen Insel, die uns eben gerade auf unserer Fahrt auf-
stößt, Halt machst, um frisches Wasser zu schöpfen, so
bin ich schon zufrieden. Denke nur nicht, daß ich etwa
unterwegs das Heimweh bekomme und mich zurück in
meine trauliche Wohnung sehne, als wäre hier jeder Gegen-
stand ein Spiegel meines eignen Selbstes, die Farben1,
mit denen die Wände übertüncht sind, ein Schimmer von
dem Weiß und Rot meines feuern Angesichts und selbst
die gelben Kleckse, mit denen die marmorierten Decken
meiner Stuben besprenkelt sind, ein Konterfei meiner
Sommersprossen. Nein, nie sollst du Klagen und Seufzer,
nur frohe Lieder sollst du aus meinem Munde vernehmen!
Wornach sollte ich mich denn auch zurücksehnen? Nur sehr
weniges nenne ich mein, ach, nicht mehr, als in das kleine
Bündelchen meiner Schriften eingeht, und das nimmt ja so
wenig Raum ein, daß es in meiner Rocktasche Platz hat
und ich so all mein Hab und Gut immer bei mir habe. Dar-
um nimm mich mit dir fort, oh lieber Geist! Das, was
ich verlasse, sind keine Güter, die ich verliere, ist nichts
als eine lästige Bürde, die ich mir vom Halse schaffe."
„Hochwohlgeborner Herr Freiherr! Hochzuverehrender
Herr Schriftsteller! Es tut mir sehr leid, daß es endlich so
weit gekommen ist, daß ich das Recht, welches mir als
Hausherrn zusteht, hiemit gegen Euer Gnaden geltend
machen muß. Sie wissen, daß ich schon vor dem Miet-
kontrakte Bedenken trug, an Sie meine Wohnung zu ver-
mieten, da ich immer nur ehrbare Bürger, wohlhabende
Kaufleute und gut placierte Beamte zu Mietsleuten hatte
und von jeher nichts mit den vornehmen Herr[e]n2 zu tun
haben wollte, die ohne alle solide[n] und bürgerliche[n]
Tugenden Schuldenmachen nicht für schimpflich halten,
sondern, im Gegenteil, sich eine Ehre daraus machen,
Schulden zu haben und den gemeinen Bürgersmann zü
prellen, wo und wie sie können. Durch Ihr Zureden ließ
1 In C folgt Zusatz: sogar
2 So ergänzt auch C.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften