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(Siehe Janke, die willkürliche Hervorbringung des
Geschlechtes.)
Wenn nun der weibliche Organismus männliche
Keime, der männliche Organismus weibliche hervor-
bringt, warum sollte sich diese Fähigkeit nicht auch
indem Charakter der Psyche ausdrücken, deren Träger
er ist? Übrigens hat Lourbet (Das Problem der Ge-
schlechter) darauf hingewiesen, daß man ebensowohl
aus den Eigenschaften der männlichen Keimzelle die
charakteristischen Merkmale der weiblichen Psyche
hätte ableiten können; „denn das Weib ist lebhafter
und beweglicher in seiner Sinnesart als der Mann,
unbeständig, nervös, und unfähig aller Dinge, die Aus-
dauer und Beharrlichkeit voraussetzen." So könnte
man auch aus der Tendenz der männlichen Keimzelle
zur vollständigen Aufgebung des eigenen Wesens und
Verschmelzung mit einem größeren, in sich abge-
schlossenen, auf sich beruhenden Organismus, wie
das Ovulum, die Neigung zur Hingebung und Selbst-
aufopferung nachweisen, die man doch als besonderes
Kennzeichen der weiblichen Psyche zu betrachten ge-
wohnt ist.
Nein, auch von hier aus läßt sich keine zuverlässige
Grundlage für die psychologische Formel der Weib-
lichkeit gewinnen. Auch hier findet man, wenn man
genauer hinsieht, nicht viel mehr als willkürliche Vor-
aussetzungen, in die alles Beliebige hineingedeutet
wird— und zwar in erster Linie der Typus, den der
Zeichendeuter aus Erfahrung kannte, oder der ihm
durch die herrschenden Anschauungen überliefert war.
Während man Männlichkeit und Weiblichkeit in
ihrer gegenwärtigen Gestalt aus ursprünglichen und
primitiven organischen Bedingungen zu erklären strebt,
übersieht man, daß sie in vielen wesentlichen Stücken
bloße Kulturprodukte sind, also nichts Feststehendes
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299