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wendig empfand, und die Leiden, die dem Weibe
auferlegt sind, nicht anders denn als Strafe zu deuten
vermochte. Deshalb macht die alttestamentarische
Genesis das Weib zur VerfĂĽhrerin des Mannes und
legt Gott die strafenden Worte in den Mund: „Ich
will dir viele Schmerzen schaffen, wenn du schwanger
wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären, und
dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein— ".
Und so dauernd hat sich diese Anschauung behauptet,
daĂź noch um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts,
als in England die ersten Versuche der Narkose bei
schweren Geburten gemacht wurden, die englische
Geistlichkeit dagegen als gegen eine Aufhebung und
Milderung der gottgewollten Strafe protestierte!
Der moralistische Wahn, der fĂĽr das Elend des
menschlichen Daseins eine angeborene SĂĽnde voraus-
setzt, ist dem Weibe teurer als dem Manne zu stehen
gekommen; er hat zum Schaden die Schuld gefĂĽgt
und das natĂĽrliche Los des Weibes, anstatt es zu
mildern, nur verschärft.
Wenn schon die Natur das Weib schwer belastet
hat— durch die Zivilisation wird diese Bürde ins
Unerträgliche gesteigert. Die Disposition zu Leiden
aller Art, die Herabminderung der physischen Wider-
standskraft, die körperliche Verweichlichung, welche
die Zivilisation mit sich bringt, rächt sich am weib-
lichen Organismus härter als am männlichen, weil
die ungestörte Abwicklung des Generationsprozesses
volle Gesundheit zur Bedingung hat. Jede Beein-
trächtigung der physischen Leistungsfähigkeit setzt
auch den weiblichen Organismus als Generations-
werkzeug herab; und je verfeinerter die LebensfĂĽhrung,
desto schwierigerwerden dieAufgaben derMutterschaft.
Wie schlimm aber auch die schädlichen Einflüsse
der Zivilisation in physischer Hinsicht sein mögen,
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- GrundzĂĽge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges ĂĽber die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299