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Ankündigung der Natur, daß die Gattung noch leben-
dig, noch in der Bildung begriffen ist. Alle die Vor-
stellungen, die im Bewußtsein der Gesellschaft als
sittliche Normen auftreten, der ganze Gehalt an mo-
ralischen und intellektuellen Werten, die im Leben
der Mehrzahl bestimmenden Einfluß haben, sie sind
einmal von Einzelnen zuerst gedacht und empfunden
worden. Bis zu einem gewissen Grade bildet sich
die Mehrzahl nach den Idealen der Einzelnen. Ohne
dieseWirkung besitzen diese Ideale keinen Zusammen-
hang mit der Entwicklung, sie sind eine vergäng-
liche Laune, die mit ihrem Träger abstirbt und ver-
schwindet.
Allerdings geht davon nur das in den allgemeinen
Besitz über, was den Bedürfnissen und Fähigkeiten
der Mehrheit entspricht; und der Prozeß, durch den
sie, in Normen verwandelt, Gemeingut werden, spielt
sich unter der Schwelle des sozialen Bewußtseins ab.
Es ist eine notwendige Beschränktheit der konser-
vativen Geistigkeit, daß sie die Genesis der Normen
nicht erkennt und sie als etwas Feststehendes, nicht
als etwas Gewordenes und Veränderliches betrachtet.
In dieser Voraussetzung liegt die bindende Gewalt
der Normen; das Bedürfnis der Normengläubigen,
sich an sie zu halten als an ein unfehlbares Gesetz,
wird nur durch dieVorstellung befriedigt, daß ereinem
höheren, nicht von Einzelnen herstammenden Willen
gehorcht. Er verehrt in der Norm den Ausdruck
des sozialen Willens, der Gesellschaft, der sich zu
widersetzen für ihn die Vernichtung wäre, weil er
für sich allein nicht bestehen könnte.
Wenn der Begriff der Entwicklung, auf die mensch-
liche Gesellschaft angewendet, einen Sinn haben soll,
so ist eine fortschreitende Hebung des Durchschnitts-
typus seine notwendige Voraussetzung. Undenkbar
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299