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welche die Menschen zu „nützlichen" Gliedern der
Gesellschaft gemacht werden, wirken stärker auf sie.
Nach Laura Marholms Meinung ist das beste und
schlechteste Weibmaterial nicht ziehbar und erzieh-
bar, sondern nur das weibliche Mittelgut — nach
einer anderen, ungleich verbreiteteren Auffassung
gehört die Lenkbarkeit und Fügsamkeit gerade zu
den Kriterien der vorzüglichsten Frauen, der „echten"
oder „schönen" Weiblichkeit. Gleichviel jedoch, wie
man sie bewerten will: Die Mehrzahl der Frauen
steht unter der Herrschaft gewisser Vorstellungen
ĂĽber ihre Verpflichtung, einem Musterbild, einem
Kanon der Weiblichkeit möglichst nahezukommen.
Sie glauben desto mehr Weib zu werden, je ähnlicher
sie dem Erziehungsideal sind, und fĂĽrchten, weniger
Weib zu sein, wenn sie sich davon entfernen.
John Stuart Mill spricht von den „Übertreibungen
der Selbstverleugnung, welche gegenwärtig das künst-
liche Ideal des Frauencharakters ist" ; und prĂĽft man
die Glaubensartikel der Weiblichkeit, so wird man
noch eine Anzahl rein negativer Eigenschaften finden,
die hier zum Range sittlicher Vorschriften erhoben
worden sind. Woher rĂĽhren diese Vorschriften?
MuĂź man sie als Ă„uĂźerungen der weiblichen Natur
ansprechen? Oder stammen sie von auĂźen, sind sie
vielleicht durch einen anderen, mächtigeren Willen
dem weiblichen Geschlechte vorgesetzt?
Diejenige Auffassung, welche bisher entscheidend
fĂĽr die soziale Stellung des weiblichen Geschlechtes
war, erkennt dem Weibe nur eine sekundäre Bedeu-
tung zu. Nach ihr ist das Weib nur ein Mittel zum
Zweck — erstens zur Befriedigung des Mannes,
zweitens zur Hervorbringung des Mannes, der das
Endziel aller Veranstaltungen sowohl der Natur wie
des Staates bildet. Ein Wert an sich, als selbstän-
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- GrundzĂĽge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges ĂĽber die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299