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fen. Nur weil die herrische Erotik in ihrer absoluten
Gestalt und ungemildert durch entgegenwirkende in-
dividuelle Eigenschaften selten vorkommt, ist das Ver-
hältnis der Geschlechter meistens doch nicht eine
„ewig feindselige Spannung", wie Nietzsche meinte,
und die orientalische Behandlung des weiblichen Ge-
schlechtes auf jene Rassen beschränkt, bei denen
sich noch keine DiiTerenzierung des erotischen Emp-
findens vollzogen hat.
Unter Erotik schlechtweg— einem Worte, das eine
vielfältige Auslegung zuläßt— wird hier die Fähig-
keit verstanden, die geschlechtlichen Beziehungen mit
persönlichem Gehalt zu erfüllen, zum Unterschiede
von der Sexualität schlechtweg, die nicht mehr ent-
hält als den blinden Trieb zum anderen Geschlecht.
Nicht mit jeder seelischen Konstitution ist eine
wirkliche innerliche Annäherung an die Menschen
des anderen Geschlechtes, eine Wesensverschmel-
zung, vereinbar. Das setzt eine besondere Entwick-
lung der psychosexuellen Sphäre voraus. Je edler
und vollkommener diese Sphäre ist, desto edler
und vollkommener werden die Beziehungen eines
Menschen zum anderen Geschlechte sein, desto wei-
ter reicht er mit seiner Erotik. Die höchste Entfal-
tung der Erotik stellt eine Art der Genialität dar.
Das erotische Genie steht auf der obersten Stufe
der psychosexuellen Entwicklung, während der herri-
sche Erotiker auf der untersten zurĂĽckgeblieben ist,
dort, wo sie sich eben erst ĂĽber den bloĂźen Ge-
schlechtstrieb zu erheben und mit Vorstellungen zu
erfĂĽllen beginnt, die den primitivsten Instinkten noch
ganz nahverwandt sind. Auf der Skala zwischen
jenem obersten und diesem untersten Grade finden
sich die verschiedenen Individualitäten; die große
Mehrzahl ist auch in dieser Beziehung wie ĂĽberall
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- GrundzĂĽge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges ĂĽber die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299