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nung; In Wirklichkeit durfte diese Bekehrung aber
so selten sein wie jene fundamentale Wandlung reli-
giöser Art, die selbst der christliche Glaube nur
durch einen Akt der göttlichen Gnade bewirkt wer-
den läßt. Denn jene Männer kann man nicht Weiber-
feinde nennen, die nur deshalb gering von den Frauen
denken, weil ihre subjektiven Vorstellungen vom
Weib so hohe sind, daß die große Mehrzahl der
Frauen ihnen nicht entspricht und sie lange vergeb-
lich nach Verwirklichung ihrer Wunschgestalt suchen
müssen.
Jede Individualität reagiert auf bestimmte Reize
anders. Unter der Bezeichnung des subjektiven Ge-
schmackes ist diese Tatsache ja eine der landläufig-
sten Beobachtungen. Bei den gewöhnlichen Menschen,
deren Bewußtsein in Hinsicht auf ihre Sexualität sich
nicht viel über die Dumpfheit des Instinktlebens er-
hebt, bleiben auch die durch den subjektiven Ge-
schmack bestimmten Vorstellungen über das andere
Geschlecht dumpf und unentwickelt. Sie überneh-
men das konventionelle, das heißt, das durch die
Mehrzahl geschaffene Urteil und behalten es häufig
auch dann, wenn es sich nicht recht mit der Praxis
ihres Lebens deckt, weil sie nicht aufgeweckt genug
sind, um sich ihres persönlichen Empfindens reflexiv
bewußt zu werden. Wo aber Phantasie und Leiden-
schaft oder ein gesteigertes Abstraktionsvermögen
sich zur Individualität gesellen wie bei den geistig
produktiven Menschen, füllt sich das Bewußtsein mit
bestimmteren und deutlicheren Vorstellungen.
Der Komplex von Eigenschaften, der unsere be-
sondere, von allen anderen verschiedene Person aus-
macht und sich als Inhalt unserer IchvorstelJi'ng im
Bewußtsein spiegelt, erzeugt, gewissermaßen als
Nebenprodukt, mehr oder minder scharf begrenzt ein
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299