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Zug in die menschliche Persönlichkeit. Nach der
Schopenhauerschen Weltinterpretation, nach welcher
der Wille das primäre oder männliche, der Intellekt
das sekundäre oder weibliche Prinzip darstellt, wäre
der Mensch schon durch die Vereinigung dieser Prin-
zipien in einem Individuum als geistige Erscheinung
ein mannweibliches Wesen — eine Konsequenz, die
Schopenhauer allerdings nicht gezogen hat. Aber
auch ohne diese metaphysisch-willkĂĽrliche Bezeich-
nung der menschlichen Grundtriebe nach Geschlechts-
analogien: das kontemplative Element, das die Be-
schäftigung mit geistigen Dingen mit sich bringt,
nähert den Mann dem weiblichen Wesen. Nietzsche,
der im ĂĽbrigen ein Anwalt der extremen Geschlechts-
difPerenzierung ist, verweist wiederholt auf die Ver-
wandtschaft mit dem Weibe, in die der Mann durch
die geistige Schwangerschaft gerät, und er liebt diesen
Vergleich so sehr, daĂź er ihn in mehrfachen Varianten
angewendet hat.
DaĂź der geniale Mann nicht die psychischen ZĂĽge der
extremen Geschlechtsdifferenzierung trägt, sondern in
vielen StĂĽcken sich dem weiblichen und selbst dem
kindlichen Wesen nähert, ist eine bekannte Beobach-
tung. Vielleicht liegt der Grund in der stärkeren
Irritabilität — die als Eigentümlichkeit des weib-
lichen Geschlechtes gilt — vermöge welcher das
Genie auf EindrĂĽcke von auĂźen rascher und heftiger
reagiert, als es der männlichen Durchschnittskonsti-
tution entspricht. Die Heftigkeit dieser äußeren Ein-
drücke im Verein mit der Intensität innerer Impulse
erzeugt auch jenen labilen GemĂĽtszustand, der sich
in einem unhemmbaren Stimmungswechsel ohne zu-
reichende Motive äußert, wie er gleichfalls als Eigen-
tĂĽmlichkeit des weiblichen Geschlechtes beobachtet
wird. Die bekannteste Folgeerscheinung der weib-
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Title
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Author
- Rosa Mayreder
- Publisher
- Eugen Diederichs Verlag
- Location
- Jena
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.5 x 16.5 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorwort 1
- GrundzĂĽge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges ĂĽber die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299