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würde.
3) Ein dritter findet in sich ein Talent, welches vermittelst einiger Kultur
ihn zu einem in allerlei Absicht brauchbaren Menschen machen könnte. Er
sieht sich aber in bequemen Umständen und zieht vor, lieber dem Vergnügen
nachzuhängen, als sich mit Erweiterung und Verbesserung seiner glücklichen
Naturanlagen zu bemühen. Noch frägt er aber: ob außer der
Übereinstimmung, die seine Maxime der Verwahrlosung seiner Naturgaben
mit seinem Hange zur Ergötzlichkeit an sich hat, sie auch mit dem, was man
Pflicht nennt, übereinstimme. Da sieht er nun, dass zwar eine Natur nach
einem solchen allgemeinen Gesetze immer noch bestehen könne, obgleich der
Mensch (so wie die Südsee-Einwohner) sein Talent rosten ließe und sein
Leben bloß auf Müßiggang, Ergötzlichkeit, Fortpflanzung, mit einem Wort
auf Genuss zu verwenden bedacht wäre; allein er kann unmöglich wollen,
dass dieses ein allgemeines Naturgesetz werde, oder als ein solches in uns
durch Naturinstinkt gelegt sei. Denn als ein vernünftiges Wesen will er
notwendig, dass alle Vermögen in ihm entwickelt werden, weil sie ihm doch
zu allerlei möglichen Absichten dienlich und gegeben sind.
Noch denkt ein vierter, dem es wohl geht, indessen er sieht, dass andere mit
großen Mühseligkeiten zu kämpfen haben (denen er auch wohl helfen
könnte): was geht’s mich an? mag doch ein jeder so glücklich sein, als es der
Himmel will oder er sich selbst machen kann, ich werde ihm nichts entziehen,
ja nicht einmal beneiden; nur zu seinem Wohlbefinden oder seinem Beistande
in der Not habe ich nicht Lust etwas beizutragen! Nun könnte allerdings,
wenn eine solche Denkungsart ein allgemeines Naturgesetz würde, das
menschliche Geschlecht gar wohl bestehen und ohne Zweifel noch besser, als
wenn jedermann von Teilnehmung und Wohlwollen schwatzt, auch sich
beeifert, gelegentlich dergleichen auszuüben, dagegen aber auch, wo er nur
kann, betrügt, das Recht der Menschen verkauft, oder ihm sonst Abbruch tut.
Aber obgleich es möglich ist, dass nach jener Maxime ein allgemeines
Naturgesetz wohl bestehen könnte: so ist es doch unmöglich, zu wollen, dass
ein solches Prinzip als Naturgesetz allenthalben gelte. Denn ein Wille, der
dieses beschlösse, würde sich selbst widerstreiten, indem der Fälle sich doch
manche ereignen können, wo er anderer Liebe und Teilnehmung bedarf, und
wo er durch ein solches aus seinem eigenen Willen entsprungenes
Naturgesetz sich selbst alle Hoffnung des Beistandes, den er sich wünscht,
rauben würde.
Dieses sind nun einige von den vielen wirklichen oder wenigstens von uns
dafür gehaltenen Pflichten, deren Abteilung aus dem einigen angeführten
Prinzip klar in die Augen fällt. Man muss wollen können, dass eine Maxime
unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde: dies ist der Kanon der
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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Title
- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Author
- Immanuel Kant
- Date
- 1785
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 70
- Keywords
- Philosophie, Vernunft, Aufklärung, Ethik, Kritik
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorrede 4
- Erster Abschnitt 9
- Zweiter Abschnitt 20
- Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten 20
- Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit 48
- Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit 49
- Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie 50
- Dritter Abschnitt 54
- Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens 54
- Freiheit muss als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden 56
- Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt 57
- Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? 61
- Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie 63
- Schlussanmerkung 70