Page - 44 - in Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Image of the Page - 44 -
Text of the Page - 44 -
gehorchend, die es selbst gibt und nach welchen seine Maximen zu einer
allgemeinen Gesetzgebung (der es sich zugleich selbst unterwirft) gehören
können. Denn es hat nichts einen Wert als den, welchen ihm das Gesetz
bestimmt. Die Gesetzgebung selbst aber, die allen Wert bestimmt, muss eben
darum eine Würde, d. i. unbedingten, unvergleichbaren Wert, haben, für
welchen das Wort Achtung allein den geziemenden Ausdruck der Schätzung
abgibt, die ein vernünftiges Wesen über sie anzustellen hat. Autonomie ist
also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur.
Die angeführten drei Arten, das Prinzip der Sittlichkeit vorzustellen, sind
aber im Grunde nur so viele Formeln eben desselben Gesetzes, deren die eine
die anderen zwei von selbst in sich vereinigt. Indessen ist doch eine
Verschiedenheit in ihnen, die zwar eher subjektiv als Objektiv-praktisch ist,
nämlich um eine Idee der Vernunft der Anschauung (nach einer gewissen
Analogie) und dadurch dem Gefühle näher zu bringen. Alle Maximen haben
nämlich
1) eine Form, welche in der Allgemeinheit besteht, und da ist die Formel
des sittlichen Imperativs so ausgedrückt: dass die Maximen so müssen
gewählt werden, als ob sie wie allgemeine Naturgesetze gelten sollten;
2) eine Materie, nämlich einen Zweck, und da sagt die Formel, dass das
vernünftige Wesen als Zweck seiner Natur nach, mithin als Zweck an sich
selbst jeder Maxime zur einschränkenden Bedingung aller bloß relativen und
willkürlichen Zwecke dienen müsse;
3) eine vollständige Bestimmung aller Maximen durch jene Formel,
nämlich: dass alle Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem möglichen
Reiche der Zwecke, als einem Reiche der Natur, zusammenstimmen sollen.
Der Fortgang geschieht hier wie durch die Kategorien der Einheit der Form
des Willens (der Allgemeinheit desselben), der Vielheit der Materie (der
Objekte, d. i. der Zwecke) und der Allheit oder Totalität des Systems
derselben. Man tut aber besser, wenn man in der sittlichen Beurteilung immer
nach der strengen Methode verfährt und die allgemeine Formel des
kategorischen Imperativs zum Grunde legt: handle nach der Maxime, die sich
selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann. Will man aber dem
sittlichen Gesetze zugleich Eingang verschaffen: so ist sehr nützlich, ein und
eben dieselbe Handlung durch benannte drei Begriffe zu führen und sie
dadurch, so viel sich tun lässt, der Anschauung zu nähern.
Wir können nunmehr da endigen, von wo wir im Anfange ausgingen,
nämlich dem Begriffe eines unbedingt guten Willens. Der Wille ist
schlechterdings gut, der nicht böse sein, mithin dessen Maxime, wenn sie zu
einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst niemals widerstreiten
kann. Dieses Prinzip ist also auch sein oberstes Gesetz: handle jederzeit nach
44
back to the
book Grundlegung zur Metaphysik der Sitten"
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Title
- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Author
- Immanuel Kant
- Date
- 1785
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 70
- Keywords
- Philosophie, Vernunft, Aufklärung, Ethik, Kritik
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorrede 4
- Erster Abschnitt 9
- Zweiter Abschnitt 20
- Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten 20
- Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit 48
- Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit 49
- Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie 50
- Dritter Abschnitt 54
- Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens 54
- Freiheit muss als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden 56
- Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt 57
- Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? 61
- Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie 63
- Schlussanmerkung 70