Page - 40 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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Ausgleichsanspruch besteht. Der Annahmeverzug setzt in diesem Fall al-
lerdings voraus, dass der Unternehmer leisten darf sowie zur Leistung tat-
sächlich bereit und in der Lage ist.74 Liegt also zugleich ein Fall der Ver-
hinderung des Unternehmers vor (s. oben F.I), gehen die Rechtsfolgen der
(vorübergehenden oder endgültigen) Unmöglichkeit vor, sodass ein An-
spruch aus §642 BGB ebenfalls ausscheidet.
Bei absoluten Fixgeschäften tritt mit Zeitablauf Unmöglichkeit der Leis-
tung ein; ist der Besteller zu diesem Zeitpunkt bereits in Annahmeverzug
– etwa ein Veranstalter, der das Konzert abgesagt hat –, bleibt gem. §326
Abs.2 S.1 Var. 2. BGB der Anspruch des Unternehmers auf die Gegenleis-
tung erhalten (s. auch §644 Abs.1 S.2 BGB).75 Ein wörtliches Angebot
gem. §295 BGB ist hier grundsätzlich entbehrlich, wenn der Besteller
durch die Absage unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass er die
Werkleistung in keinem Fall annehmen wird.76 Hier differenziert die
Rechtsprechung bisher nicht danach, ob der Grund für den Annahmever-
zug des Bestellers von diesem beeinflusst werden konnte.77 Teilweise wird
allerdings vertreten, dass ein behördliches Veranstaltungsverbot zugleich
die Unmöglichkeit der Werkleistung des Künstlers bzw. Ensembles bewir-
ke, was einem Annahmeverzugshonorar entgegenstehe.78 Das überzeugt je-
doch nicht uneingeschränkt: Die geschuldete Leistung des Künstlers be-
steht nur darin, die vereinbarte Aufführung an dem vereinbarten Ort zu
präsentieren. Die Bereitstellung des Ortes und die „Verschaffung“ von Pu-
blikum sind die Obliegenheit des Veranstalters, nicht Teil der Leistungs-
pflicht des Künstlers. Daher ist nach dem exakten Inhalt der behördlichen
Anordnung zu differenzieren: Ist die konkrete Aufführung selbst verboten
(etwa weil in einem Chor oder Orchester der erforderliche Mindestabstand
nicht eingehalten werden kann), liegt tatsächlich Unmöglichkeit der
Werkleistung des Chors oder Orchesters vor, sodass kein Annahmever-
zugshonorar geschuldet ist. Ist allerdings die Darbietung selbst mit den be-
hördlichen Schutzanordnungen vereinbar, darf nur der Darbietungsort
nicht für Publikum geöffnet werden, liegt dies im Risikobereich des Ver-
anstalters und begründet keine Unmöglichkeit der geschuldeten
(Werk-)Leistung, sodass der werkvertragliche Honoraranspruch des Künst-
lers grundsätzlich bestehen bleibt.
74 Voit (Fn.60), §642 Rn.11.
75 Spenner/Estner, Veranstaltungsabsagen (Fn.59), S.855.
76 S. Dötterl, in: beck-online.Großkommentar zum Zivilrecht (Fn.14), 1.1.2020,
§295 Rn.29ff.
77 Dötterl (Fn.76), §293 Rn.92; Voit (Fn.60), §644 Rn.14.
78 Spenner/Estner, Veranstaltungsabsagen (Fn.59), S.855.
Thomas Riehm
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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