Page - 53 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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schütternder Umstände angepasst werden, um korrigierend einzugreifen,
kommt es zu einem ggf. durch Richterspruch durchgesetzten ggf. fragwĂĽr-
digen Eingriff in die Privatautonomie, der – anders als §313 BGB – nicht
zwingend durch die gesetzgeberseitige Anforderung einer umfassenden In-
teressenabwägung gedeckt und nicht auf untragbare Ausnahmekonstella-
tionen beschränkt ist. Insbesondere fehlt §157 BGB die Grundsatzidee des
Pflichtenerhalts bis zur Grenze der Unzumutbarkeit.
Flankierendes Gesetzesrecht
Ergibt sich aus dem Vertrag keine adäquate Problemerfassung und zugehö-
rige Regelung, kommt es auf das Gesetzesrecht an, durch welches an vielen
Stellen Risiken und Lasten zugewiesen werden. Besonderheiten sind inso-
weit allem voran Vorschriften, die auch Zufallsmomente gezielt einer Par-
tei zuweisen, so etwa §287 S.2 BGB, sofern der Schuldner sich bei Um-
standsänderung bereits in Verzug befindet.
Risiken für Zufälle werden im Übrigen zumeist nach abgrenzbaren
Sphären verteilt, wie die §§446, 447, 535 Abs.1. S.2, 536, 640, 644, 646
BGB zeigen.21 Dabei hat der Gesetzgeber nebst vielfach klarer Abgren-
zungsmomente, wie die Ăśbergabe der Sache oder die Abnahme des Werks,
auch partiell Sondertatbestände eingebaut, die von dem klassischen Alles-
oder-Nichts-Ansatz abweichen und pro rata verteilen, so etwa §645 Abs.1
BGB fĂĽr das Werkvertragsrecht bei Verschlechterung oder Vernichtung
des Werks vor Abnahme aufgrund eines dem Besteller zuzurechnenden
Umstands, aus welchem jedoch kein allgemeiner Sphärengedanke abzule-
sen sein soll.22
Soweit das spezielle Vertragsrecht keine abschlieĂźende Regelung vor-
sieht, können ergänzend die Vorgaben des allgemeinen Schuldrechts zum
Einsatz kommen.23 Hier stehen die Normen zum Entfall der Leistungs-
3.
21 Zum Sphärengedanken H. Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei
Zweckstörungen im Schuldverhältnis, München 1971, S.41ff. Ein allgemeiner
Sphärengedanke ist allerdings vom historischen Gesetzgeber nicht in das BGB in-
korporiert worden.
22 H.M., vgl. die Ăśbersicht bei W. Voit, in: BeckOK BGB, 53. Ed., MĂĽnchen 2019,
§645 Rn.17 mwN. Vom BGH offengelassen, vgl. BGHZ 83, 197 (205f.) = NJW
1982, S.1458f.
23 Vgl. etwa T. Riehm, in: BeckOGK BGB, München Stand: 1.2.2020, §275
Rn.250ff. W. Ernst, in: MüKo BGB, Bd. 2, 8.Aufl., München 2019, §275 Rn.25ff.
mwN.
Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf Vertragsstörungen?
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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