Page - 54 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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pflicht wegen Unmöglichkeit (§275 Abs.1 BGB) und Unzumutbarkeit
(§§275 Abs.2 und 3 BGB) mit dem automatischen Entfall der Gegenleis-
tungspflicht gemäß §326 Abs.1 S.1 BGB und den Ausnahmen der §§326
Abs.2 und 3 BGB im Vordergrund.
Ausgangserwägungen zum Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Zentral für die Folgediskussion um §313 BGB und dessen Standortbestim-
mung sowie Teleologie ist der Hinweis, dass jede vorschnelle, nicht im
Hinblick auf möglicherweise außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls
getroffene Aussage, besondere Vorschriften und Vertragsregelungen be-
gründeten eine abschließende Risikoverteilung,24 gefährlich sind.25 Der
Gesetzgeber hat weder im Recht der vertraglichen Mängelgewährleistung
noch in den allgemeinen Vorschriften eine sorgfältig durchdachte Risiko-
struktur für unerwartet eintretende, das vertragliche Gleichgewicht oder
die vertragliche Zweckrichtung zerstörende Umstände statuiert.26 Viel-
mehr ist mit der Rechtsprechung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage
und der Aufnahme dieses Instituts in §313 BGB ein Auffangsystem in das
bürgerliche Recht inkorporiert worden, welches generalklauselartig Son-
derprobleme dahingehend zu lösen versucht, dass außergewöhnliche,
nicht vorhergesehene Lasten einen neuen Verteilungsversuch der Parteien
begründen sollen.27 Schon die Vielzahl der Begründungstheorien,28 die
zum Wegfall der Geschäftsgrundlage über die Zeit entstanden sind, legen
4.
24 So aber M. Weller/C. Thomale, Gewerbemietrecht (Fn.3), S.962 (963) für das
Mietmängelrecht mVa. die besondere Struktur. Allerdings kommen im Ergebnis
auch M. Weller/C. Thomale, Gewerbemietrecht (Fn.3), S.962 (963) zu dem Ergeb-
nis, dass eine 100:0 – Lösung nicht situationsadäquat erscheint und schlagen eine
Risikoverteilung pro Kopf vor, was einer Gesamtschau von Auffangregelungen
entnommen wird. Näher hierzu noch im Folgenden.
25 Diese Sichtweise wird auch höchstrichterlich gestützt, vgl. BGHZ 40, 334 (336) =
NJW 1964, S.861; BGH WM 1977, S.735.
26 Die nur teilweise greifenden Ausnahmen wie etwa §275 Abs.2 BGB lassen das
fragmentarische Geflecht deutlich werden, vgl. zur Zielrichtung jüngst M.
Weller/M. Lieberknecht/V. Habrich, Leistungsstörungen (Fn.3), S.1017 (1021f.).
27 Vgl. hierzu auch die Erwägungen bei A. Stöhr, Die Vertragsbindung Legitimation,
Herkunft, Grenzen, AcP 214 (2014), S.425 (457).
28 Eine prägnante Übersicht gibt T. Finkenauer (Fn.17), §313 Rn.25 mwN., insbe-
sondere auf A. Chiotellis, Rechtsfolgenbestimmung bei Geschäftsgrundlagenstö-
rungen in Schuldverträgen, München 1981, Vorwort.
Jens Prütting
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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