Page - 59 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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Kritik von Finkenauer nicht als sinnvolles Abgrenzungsmoment.44 Jeder
Umstand der objektiven wie auch der subjektiven Geschäftsgrundlage lässt
sich als Geschäftsgegenstand denken und formulieren. Bis auf die wenigen
Fälle, die heute – ohne Anspruch auf spezifisch juristischen Sinngehalt –
als „große“ Geschäftsgrundlage45 geführt werden, fällt daher die nach aktu-
eller Gesetzeslage geforderte Differenzierung unnötig schwer. Für die vor-
liegende Erörterung kann eine weitergehende Auseinandersetzung mit die-
ser Frage jedoch unterbleiben.
Die entscheidende Problematik der Zumutbarkeitsabwägung wird so-
gleich an Hand spezifischer Problemlagen besprochen.
Rechtsfolge
Bei erfĂĽlltem Tatbestand hat der belastete Schuldner das Recht, Vertrags-
anpassung zu verlangen, §313 Abs.1 BGB. Für den konkreten Umgang
mit dem ggf. unwilligen Vertragspartner wird ihm auch ein gewisses In-
strumentarium zur Seite gestellt. So kann der Schuldner §313 Abs.1 BGB
als Einrede gegen die fortbestehende Leistungspflicht geltend machen46
oder auf Basis situationsadäquater Verhandlungsvorschläge Klage erheben.
Allerdings muss hinsichtlich der Klage die Situation sorgfältig eingeschätzt
werden. Eine originäre Klage auf Vertragsanpassung oder auf Mitwirkung
an den Verhandlungen soll grundsätzlich nicht möglich sein. Vielmehr ist
auf Leistung aus dem angepassten Vertrag zu klagen.47 Das kann jedoch
aus Schuldnerperspektive unbefriedigend sein, wenn ein entsprechendes
Leistungsinteresse aktuell nicht zu formulieren ist. Dann kann allerdings
im Wege negativer Feststellungsklage gegen das BerĂĽhmen eines zu weit-
gehenden Leistungsverlangens des Gläubigers vorgegangen werden.
Kommt eine Anpassung in zumutbarer Form nicht in Betracht, ist –
nach der gesetzlichen Konzeption subsidiär – die Aufhebung nach §313
Abs.3 BGB, je nach Art des Schuldverhältnisses, als Rücktritt oder Kündi-
gung möglich.
2.
44 T. Finkenauer (Fn.17), §313 Rn.9f., 41ff.
45 Vgl. S. Martens (Fn.34), §313 Rn.58.
46 Allg.M., vgl. nur M. Stürner (Fn.40), §313 Rn.24.
47 BT-Drucks. 14/6040, S.176; H. Heinrichs, Vertragsanpassung bei Störung der Ge-
schäftsgrundlage – Eine Skizze der Anspruchslösung des §313 BGB, in: S.
Lorenz/A. Trunk/H. EIdenmĂĽller/C. Wendehorst/J. Adolff (Hrsg.), Festschrift fĂĽr
Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, MĂĽnchen 2005, S.182, 198; F. Loyal, An-
sprüche auf Vertragsanpassung – eine Dekonstruktion, AcP 214 (2014), S.746.
Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf Vertragsstörungen?
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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