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Geldschuld ohne Währungsverfall
Der zuerst zu diskutierende Anwendungsbereich des §313 BGB besteht
aus dem Konvolut aller Fälle, in denen ein Rechtssubjekt eine Geldschuld
hat, die sie mangels Liquidität nicht begleichen kann. Der Zahlungseng-
pass soll dabei nachweislich auf Einkommens- und Vermögensverluste re-
spektive ausbleibende Gewinne zurĂĽckgehen, die durch unmittelbare oder
mittelbare Auswirkungen der Corona-Pandemie verursacht worden sind.
Ein Währungsverfall liegt nicht vor und soll in dieser Betrachtung ausge-
nommen sein.53
In diesen Fällen sollte das Recht des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
nach hier vertretener Ansicht keinen Anwendungsbereich haben. Diese
Haltung wird von folgenden Erwägungen getragen:
1. Die Geldschuld ist im System des bĂĽrgerlichen Rechts gesondert re-
guliert. Hinter dem allseits bekannten juristischen Sprichwort, „Geld hat
man zu haben“, verbirgt sich das Verständnis eines Regelungsgeflechts,
welches ungeachtet des Insolvenzgrundes Schuldnerschutz durch das BGB
nicht zulassen will, sondern ein eigenständiges System im Zwangsvollstre-
ckungs- und Insolvenzrecht vorsieht.54 Daraus folgt, dass bei ausbleibender
Zahlung einer fälligen Geldschuld unter den Voraussetzungen des §286
Abs.1 – 3 BGB stets Verzug eintritt, da fehlende Verantwortlichkeit gemäß
§286 Abs.4 BGB nicht wirksam eingewendet werden kann.55 Obgleich es
der zahlungsunfähigen Person subjektiv in diesem Moment nicht möglich
ist, auf die Schuld zu leisten, kann dem Gläubiger §275 Abs.1 BGB nicht
mit Erfolg entgegengehalten werden.56
2. Weder das System des BGB noch die §§704ff. ZPO oder die InsO un-
terscheiden bei der Frage des Vorliegens der Zahlungsunfähigkeit oder
III.
53 Grundsätzlich ist die Geldentwertung dem Risikobereich des Gläubigers zuzuord-
nen, vgl. BGHZ 86, 167 (186f.) = NJW 1983, S.1309. Zur anerkennenswerten
Fallgruppe des außerordentlich unvorhersehbaren Währungsverfalls BGHZ 77,
194 (198) = NJW 1980, S.2241; S. Lorenz, in: BeckOK BGB, 53. Ed, MĂĽnchen
2020, §313 Rn.34.
54 Vgl. hierzu die instruktive Hintergrunddarstellung bei R. StĂĽrner, in: MĂĽKo InsO,
Bd. 1, 4.Aufl. MĂĽnchen 2019, Einleitung Rn.1ff.
55 Vgl. BGH NJW 2015, S.1296 Rn.18 mwN; D. Medicus, „Geld muß man haben“ –
Unvermögen und Schuldnerverzug bei Geldmangel, AcP 188 (1988), S.489.
56 Vgl. a. BT-Drucks. 14/7052, S.184 und hierzu C. Canaris, Sondertagung Schuld-
rechtsreform – Die Reform des Rechts der Leistungsstörungen, JZ 2001, S.499
(519).
Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf Vertragsstörungen?
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
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