Page - 100 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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gelung auch flexibel für Anwendungsfälle, die der Gesetzgeber nicht be-
dacht hat.
Das Dauerschuldverhältnis muss vor dem 8.3.2020 geschlossen worden
sein, also vor Bekanntwerden des Ausmaßes der Pandemie. Es kommt auf
den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an, nicht des Beginns der Leistungser-
bringung.19 Der Gesetzgeber bestimmt somit per Stichtag, ab wann man
als Verbraucher ernsthaft mit coronabedingten Zahlungsschwierigkeiten
rechnen musste. An diesem Tag, einem Sonntag, starb erstmals ein deut-
scher Staatsbürger an dem Virus; Bundesgesundheitsminister Spahn riet
zur Absage von Großveranstaltungen. Einen Tag später kam es zu dem
stärksten Tagesverlust des DAX seit den Anschlägen auf das World Trade
Center am 11. September 2001, weil der Markt das Ausmaß der Pandemie
realisierte. Die Wahl des 8.3.2020 erscheint daher plausibel.20 Fraglich ist
allerdings, ob man überhaupt einen Stichtag braucht.21 Ist ein Verbrau-
cher, der nach dem 8. März infolge eines vorher geplanten Umzugs einen
Stromlieferungsvertrag für seine neue Wohnung abschließt, wirklich nicht
schutzwürdig?22
Anforderungen an das pandemiebedingte Leistungshindernis
Weitere Voraussetzung für die Corona-Einrede ist, dass der Verbraucher
seine Leistung nicht mehr ohne Gefährdung des angemessenen Lebensun-
terhalts erbringen kann. Relevant ist nicht nur der Lebensunterhalt des
Verbrauchers, sondern auch der seiner unterhaltsberechtigten Angehöri-
gen, also beispielsweise minderjährigen Kinder im Haushalt. Der Gesetzge-
ber will damit Menschen helfen, „deren Haushaltseinkommen wegen der
Pandemie einstweilen oder dauerhaft verringert oder weggebrochen ist“23.
2.
19 Markworth/Bangen, Coronakrise (Fn. 16), S.362.
20 Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18), S.766.
21 Bejahend Markworth/Bangen, Coronakrise (Fn. 16), S.362.
22 Wie hier kritisch Rüfner, Corona-Moratorium (Fn. 14), S.444.
23 BT-Drucks. 19/18110, S.33.
Ann-Marie Kaulbach und Bernd Scholl
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245