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Ausnahmetatbestand: Unzumutbarkeit für den Darlehensgeber
Wie Art.240 §1 Abs.3 EGBGB enthält auch Art.240 §3 Abs.6 EGBGB
einen Ausnahmetatbestand. Dieser ermöglicht jedoch anders als sein Pen-
dant in §1 eine umfassende Abwägung mit den Interessen des Darlehens-
gebers: Ist dem Darlehensgeber die Stundung oder der Ausschluss der
Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein-
schließlich der durch die Pandemie verursachten Veränderungen der allge-
meinen Lebensumstände unzumutbar, sollen die Absätze 1–5 nicht gelten.
Fast nie dürfte die dreimonatige Stundung eines einzelnen Verbraucher-
darlehens für eine Bank derart schwerwiegende Auswirkungen haben.117
Eher zur Unzumutbarkeit könnte der in der Gesetzesbegründung genann-
te Fall führen, dass der Darlehensnehmer sich vor oder während der Pan-
demie pflichtwidrig verhalten hat, indem er z.B. betrügerische Angaben
gemacht oder Sicherheiten vertragswidrig veräußert hat.118 Teilweise wird
die Regelung für verfehlt gehalten, weil in diesen Fällen eine Kündigung
nach §314 BGB möglich sei.119 Jedoch ist auch der Wille der Bank, den
Vertrag in einem solchen Fall zwar nicht außerordentlich zu kündigen,
dem Kunden aber auch keinen Zahlungsaufschub zu gewähren, zu akzep-
tieren. Zu weitgehend erscheint, dass in diesen Fällen nicht nur die harten
Rechtsfolgen (dazu sogleich) der Absätze 1, 3 und 5 ausgeschlossen sein
sollen, sondern auch die weichen der Absätze 2 und 4.120
Rechtsfolgen
Gesetzliche Stundung und Verlängerung der Laufzeit, Art.240 §3 Abs.1
EGBGB
Anders als bei Art.240 §1 EGBGB besteht die Rechtsfolge nicht in einem
Leistungsverweigerungsrecht, auf das sich der Darlehensnehmer berufen
muss, sondern in einer kraft Gesetzes eintretenden Stundung der nach der
vertraglichen Vereinbarung zwischen dem 1.4. und dem 30.6.2020 fällig
werdenden Ansprüche des Darlehensgebers um drei Monate ab dem jewei-
III.
IV.
1.
117 S.o. B.I.3 zu Art.240 §1 Abs.3 EGBGB; Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18), S.770.
118 BT-Drucks. 19/18110, S.40.
119 Köndgen (Fn. 24), Art.240 §3 EGBGB Rn.61; Lühmann, Moratorium (Fn. 85),
S.1326.
120 Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18), S.770.
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
127
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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