Page - 130 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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Allein der Begriff der Stundung hilft zur Lösung des Problems nicht
weiter, weil es beide Formen der Stundung gibt.133 Auch die Gesetzesbe-
gründung verhält sich dazu nicht explizit. Hier heißt es, dass zu Lasten des
Verbrauchers weder Verzugszinsen noch Entgelte entstehen sollen.134 Dass
keine Verzugszinsen entstehen können, ergibt sich schon daraus, dass es
während der Stundungsphase an der Fälligkeit der Forderung und damit
an einer Grundvoraussetzung des §286 Abs.1 S.1 BGB fehlt. Mit dem Be-
griff des Entgelts dürfte nicht der Zins, sondern ein Nebenentgelt gemeint
sein. An anderer Stelle, nämlich in der Begründung zu Art.240 §3 Abs.5
EGBGB, sprechen die Ausführungen im Gesamtzusammenhang eher ge-
gen eine Verzinsung während der Stundungsphase. Dort heißt es: „Auch
die Fälligkeit der einzelnen Zins- und Tilgungsleistungen wird insgesamt
um drei Monate verschoben. Damit bleibt das ursprüngliche Vertragsgefü-
ge erhalten, nur die Leistungstermine sind jeweils um drei Monate ver-
setzt.“135 Offenbar soll der Darlehensnehmer genau die Zahlungen leisten
müssen, die vertraglich vorgesehen waren, nur drei Monate später.136 In
diese Richtung hat sich Presseberichten zufolge auch das Bundesjustizmi-
nisterium geäußert.137 Gegen eine Verzinsungspflicht könnte auch spre-
chen, dass der Gesetzgeber die Konstruktion der gesetzlichen Stundung ge-
wählt hat – möglicherweise weil er die Stundung als so verbraucherfreund-
lich ansah, dass die Geltendmachung einer Einrede nicht erforderlich sein
sollte. Bei einer verzinslichen Stundung, die für den Verbraucher mit
Nachteilen verbunden ist, sollte man dagegen eher eine aktive Entschei-
dung erwarten.
Ob das Vertragsgefüge durch eine unentgeltliche Stundung tatsächlich
aufrechterhalten werden kann, erscheint allerdings fraglich: Verdeutlichen
lässt sich das an dem Beispiel eines vor der Krise gewährten Darlehens mit
dreimonatiger Laufzeit. Verlängerte sich die Laufzeit um drei Monate
133 Vgl. allg. K. Schmidt, in: MüKoHGB, Bd. 5, 4.Aufl. 2018, §353 Rn.13; s. auch zu
Stundungszinsen im Steuerrecht §234 AO. Zur Unbestimmtheit des Begriffs der
Stundung auch Köndgen (Fn. 24), Art.240 §3 EGBGB Rn.35.
134 BT-Drucks. 19/18110, S.40.
135 BT-Drucks. 19/18110, S.40.
136 A.A. Herresthal, Verbraucherdarlehensrecht (Fn. 92), S.994, wonach aus der Be-
tonung der Aufrechterhaltung des Vertragsgefüges im Gegenteil die Verzin-
sungspflicht zu folgern ist.
137 „Bankkunden berichten von Problemen bei Kreditstundungen“ (Fn. 83). Die
Meldung zitiert das BMJV mit folgender Aussage: „Die gesetzliche Stundung
führt dazu, dass die Fälligkeit der vertraglich vereinbarten Zinsen um jeweils
drei Monate verschoben wird und diese dann entsprechend später zu zahlen
sind.“
Ann-Marie Kaulbach und Bernd Scholl
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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