Page - 141 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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im Angesicht der Pandemie erworben haben, aber schon. Zugrunde liegt
dem – wie auch den Regelungen in Art.240 §1 und §3 EGBGB – der Ge-
danke, dass nur derjenige von dem Corona-Sondervertragsrecht profitieren
soll, der den Vertrag in Unkenntnis der Pandemie geschlossen hat.175 FĂĽr
danach geschlossene Verträge gilt dann wieder das allgemeine Vertrags-
recht mit der Folge, dass sich der Kunde auf §326 BGB berufen kann.
Die Beweislast dafĂĽr, dass eine Veranstaltung wegen der COVID-19-
Pandemie abgesagt wurde, liegt beim Veranstalter bzw. Betreiber. Der Be-
weis wird aber vergleichsweise leicht zu fĂĽhren sein. Nicht erforderlich ist,
dass der Veranstalter geltend macht, dass er wirtschaftlich nicht zur RĂĽck-
zahlung in der Lage ist.176
§5 Abs.5 regelt zwei Konstellationen, in denen der Kunde Auszahlung
des Gutscheins verlangen kann. Diese Ausnahmen sollen die Verfassungs-
mäßigkeit der Norm im Hinblick auf Art.14 GG sicherstellen.177 Die erste
Konstellation liegt vor, wenn der Verweis auf einen Gutschein dem Kun-
den angesichts seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist
(Nr.1). Die GesetzesbegrĂĽndung nennt zwei Beispiele, in denen diese Aus-
nahme erfĂĽllt ist: wenn Kunde die Veranstaltung im Rahmen einer Ur-
laubsreise besuchen wollte und ein Nachholtermin mit hohen Reisekosten
verbunden wäre; außerdem wenn er ohne Auszahlung des Gutscheinwer-
tes nicht in der Lage ist, existentiell wichtige Lebenshaltungskosten wie
Miet- oder Energierechnungen zu begleichen.178 Der Kunde, der sich auf
diese Ausnahme berufen will, muss u.U. seine Einkommensverhältnisse
vollständig offenbaren, was wenig attraktiv erscheint.179 Aus dem Hinweis
auf existentiell wichtige Lebenshaltungskosten lässt sich für das Verhältnis
zwischen Art.240 §1 und §5 EGBGB folgern, dass ein Verbraucher, der
einen teuren Veranstaltungsgutschein gekauft hat, versuchen muss, den
Gutscheinwert erstattet zu bekommen, bevor er sich gegenüber dem Gläu-
biger eines „wesentlichen Dauerschuldverhältnisses“ auf ein Leistungsver-
weigerungsrecht nach Art.240 §1 EGBGB berufen kann. Auch in dieser
Konstellation gewährt der Gesetzgeber dem Veranstalter oder Betreiber
einen gewissen Aufschub, indem er diesem ermöglicht, zunächst einen
Gutschein auszustellen, dessen Auszahlung der Kunde dann verlangen
kann. Einfacher wäre es, wenn der Kunde direkt nach den allgemeinen
Vorschriften der §§326 Abs.4, 346 Abs.1 BGB vorgehen könnte.
175 BT-Drucks. 19/18697, S.7.
176 Krit. Markworth/Bangen, Gutscheinlösung (Fn. 173), S.389.
177 BT-Drucks. 19/18697, S.8.
178 BT-Drucks. 19/18697, S.8.
179 Krit. Markworth/Bangen, Gutscheinlösung (Fn. 173), S.390.
Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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