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„Subjektive Unmöglichkeit“ der Zahlung
Auch insoweit dürfte Frau Lambrecht Recht haben: Der Ausschluss des
Rechts zur Zahlungsverzugskündigung gilt nach dem Wortlaut der Be-
stimmung nur, sofern der Mieter glaubhaft machen kann, dass die Nicht-
leistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Zwar
soll nach der Gesetzesbegründung für die Glaubhaftmachung Nachweise
über die Gewährung staatlicher Leistungen, Verdienstausfälle oder der
Hinweis auf eine behördlich angeordnete Schließung reichen.24 Prima fa-
cie scheinen also bereits Verdienstausfälle oder die behördliche Schließung
zur Folge haben, dass man gegen Zahlungsverzugskündigungen geschützt
ist. Bei näherer Betrachtung ist dies allerdings nicht der Fall. Zunächst be-
trifft die Frage nach der Glaubhaftmachung grds. nicht die Voraussetzun-
gen für die Anwendbarkeit der Regelung selbst, sondern lediglich die Be-
weisführung mit Blick auf das Beweismaß und die Beweismittel.25 Voraus-
setzung für den Ausschluss der Zahlungsverzugskündigung bleibt, dass die
Nichtleistung ihre Ursache in der COVID-19-Pandemie hat. Die Nichtleis-
tung hat ihre Ursache jedoch nur dann in der Pandemie, wenn der Mieter
wegen der Krise tatsächlich nicht in der Lage war, Miete zu bezahlen. Ge-
meint ist insofern die subjektive Unmöglichkeit, weil dem Mieter die (li-
quiden) finanziellen Mittel fehlen, seiner Verpflichtung zur Mietzahlung
nachzukommen. Nicht ausreichend ist, dass der Mieter von der Krise be-
troffen ist und sich deshalb – gleichsam als „Vorsichtsmaßnahme“ um sein
Geld zusammen zu halten –26 entscheidet, die Miete lieber nicht zu zah-
len.27 Dies folgt ebenfalls bereits aus der Gesetzesbegründung. Dort heißt
es: „Die Regelung stellt eine zeitlich begrenzte Ausnahme von dem Grund-
satz dar, dass eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwie-
rigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens
der (rechtzeitigen) Leistung befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache
beruht“28. Mit Blick auf den Sinn und Zweck der Regelung, nämlich sol-
che Mieter schützen, die krisenbedingt in akute Liquiditätsengpässe gera-
1.
24 BT-Drucks. 19/18110, S.36f.
25 I. Saenger, in: Nomos Handkommentar ZPO, 8. Auflage, Baden-Baden 2019, §294
Rn.1.
26 So wohl aber die Beweggründe bei Adidas, vgl. www.manager-magazin.de/politik
/artikel/corona-krise-handel-hotels-restaurants-niemandzahlt-mehr-miete-a-1305 7
95.html (zuletzt abgerufen am 21.04.2020).
27 A.A. wohl U. Börstinghaus, Besonderheiten des Miet- und Wohnungseigentums-
rechts (Fn.13), S.415.
28 BT-Drucks. 19/18110, S.36.
Jonas David Brinkmann
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
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- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245