Page - 155 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
Image of the Page - 155 -
Text of the Page - 155 -
ten sind, wird man aber wohl nicht so weit gehen können, von Mietern
zunächst zu verlangen, nicht liquide Mittel – etwa Lebensversicherung,
Aktiendepots oder Erbschmuck – zu versilbern.29 Insbesondere dort, wo
dies nur mit hohen Verlusten möglich ist – etwa mit Blick auf die massi-
ven Kurseinbrüche auf dem Aktienmarkt – wäre dies vor dem Hinter-
grund des Schutzzwecks von Art.240 §2 EGBGB unverhältnismäßig.
Keine Vorprozessuale Pflicht zur Glaubhaftmachung
Der Mieter muss glaubhaft machen, dass es ihm wegen der Corona-Krise
unmöglich war, die Miete zu zahlen (Art.240 §2 Abs.1 S.2 EGBGB).
Hierfür kann er auf Nachweise über Verdienstausfälle oder Ähnliches zu-
rückgreifen. Ebenso kommt eine Versicherung an Eides statt in Betracht.
Die bloße Glaubhaftmachung, wirtschaftlich von der Corona-Krise betrof-
fen zu sein, reicht hingegen nicht aus. In diesem Zusammenhang stellt
sich allerdings die Frage, ob Art.240 §2 Abs.1 S.2 EGBGB als Vorausset-
zung für den Kündigungsausschluss zu verstehen ist, oder es sich um eine
prozessuale Bestimmung handelt. Muss der Mieter also dem Vermieter ge-
genüber nachweisen, dass er coronabedingt nicht zur Mietzahlung in der
Lage war, um den Kündigungsschutz zu aktivieren oder ist der Mieter ipso
iure vor einer Zahlungsverzugskündigung des Vermieters geschützt, wenn
die Voraussetzungen des S.1 vorliegen und muss dies lediglich im Ge-
richtsverfahren glaubhaft machen? Wortlaut und Gesetzesbegründung
sprechen für letzteres.30 Glaubhaftmachung ist, wie bereits gesagt, ein Ter-
minus technicus des Prozessrechts. Zudem heißt es in der Gesetzesbegrün-
dung: „Gemäß Satz2 obliegt es dem Mieter den Zusammenhang […] im
Streitfall glaubhaft zu machen.“31 Die Glaubhaftmachung soll also nur für
den Streitfall notwendig und nicht per se erforderlich sein.32 Letztlich
muss also ein Richter es aufgrund der vorgelegten Nachweise bzw. der
Versicherung an Eides statt für überwiegend wahrscheinlich halten, dass
2.
29 So aber A. Walther, Interview in der Süddeutschen Zeitung Online vom
17.4.2020, abrufbar unter: www.sueddeutsche.de/geld/rechtsanwalt-ein-wahres-au
slegungswirrwarr-1.4877906 (zuletzt abgerufen am 21.04.2020).
30 Wie hier auch U. Börstinghaus, Besonderheiten des Miet- und Wohnungseigen-
tumsrechts (Fn.13), S.414.
31 BT-Drucks. 19/18110, S.36.
32 Wie hier M. Artz, in: Schmidt, COVID 19 – Rechtsfragen zur Corona-Krise,
1.Aufl., München 2020, §3 Rn.43 . Niemand zahlt mehr Miete!?
155
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
back to the
book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245