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nicht ausgeglichen hat.43 Damit, so heißt es in der Regierungsbegründung
weiter, hätten Mieter und Pächter über zwei Jahre Zeit, einen zur Kündi-
gung berechtigenden Miet- oder Pachtrückstand auszugleichen, bevor der
Vermieter auf Grund der ausstehenden Zahlung kündigen kann.44 Aus
diesem Grund wird mitunter eine gesetzgeberische Klarstellung gefordert,
dass eine Zahlungsverzugskündigung dann ausscheidet, wenn der Vermie-
ter bis zum Stichtag hinsichtlich der Miete aus dem Krisenzeitraum befrie-
digt wurde.45
Die Meinung, dass Art.240 §2 EGBGB lediglich eine Sperrwirkung mit
Blick auf das entstandene Zahlungsverzugskündigungsrecht zur Folge hat,
liegt insbesondere dann nahe, wenn man davon ausgeht, die Glaubhaftma-
chung nach Art.240 §2 Abs.1 S.2 EGBGB sei eine Voraussetzung für die
Entstehung des Kündigungsschutzes. Denn dann würde Art.240 §2 Abs.1
EGBGB keine Schutzwirkung entfalten, solange der Mieter seiner Oblie-
genheit zur Glaubhaftmachung gegenüber dem Vermieter nicht nachge-
kommen ist. Es wäre hier sogar denkbar, dass der Vermieter bereits die
Zahlungsverzugskündigung ausgesprochen hat und der Vermieter sich erst
dann unter Glaubhaftmachung des Zusammenhangs zwischen Nichtleis-
tung und Pandemie auf Art.240 §2 EGBGB beruft, was die Frage aufwirft,
ob Art.240 §2 EGBGB dann überhaupt noch Schutz bietet. Jedenfalls die
Gefahr eines Widerauflebens der Kündigung nach Ablauf des Stichtags
trotz zwischenzeitlicher Zahlung würde hier besonders naheliegen. Indes,
die Auffassung, dass es sich bei der Glaubhaftmachung um eine materielle
Voraussetzung für den Schutz des Mieters handelt, wurde bereits oben ver-
worfen.
Aber die Annahme, dass Art.240 §2 Abs.1 EGBGB nur eine Sperrwir-
kung bzgl. der Ausübung eines gleichwohl entstandenen Zahlungsverzugs-
kündigungsrechts entfaltet, überzeugt auch generell nicht. Vielmehr dürf-
te die Vorschrift bereits die Entstehung eines Zahlungsverzugskündigungs-
rechts verhindern. Zwar ist die Formulierung von Art.240 §2 Abs.1 S.1
EGBGB insoweit offen („kann nicht kündigen“). Allerdings folgt aus der
Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber mit der Regelung bereits die
Entstehung des Verzugskündigungsrechts verhindern wollte. Denn dort
heißt es: „Mietrückstände [aus dem Krisenzeitraum] stellen weder einen
wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung […] dar
noch folgt aus ihnen ein berechtigtes Interesse zur ordentlichen Kündi-
43 BT-Drucks. 19/18110, S.37.
44 BT-Drucks. 19/18110, S.37.
45 M. Artz, COVID 19 (Fn.32), §3 Rn.42. Niemand zahlt mehr Miete!?
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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