Page - 162 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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bezahlen.52 Andererseits steht die Regelung einem Rückgriff auf das allge-
meine Recht aber auch nicht im Weg.53 Dem Wortlaut nach beschränkt
sich der Regelungsbereich von Art.240 §2 Abs.1 EGBGB auf Konstellatio-
nen, in denen überhaupt eine Pflicht zur Entrichtung der Miete besteht.
Auch steht die Gesetzesbegründung einem Wegfall der Mietzahlungs-
pflicht nach dem allgemeinen Zivilrecht nicht entgegen – schließlich wird
dort ausdrücklich auf die allgemeinen Regeln mit Blick auf die Leistungs-
pflicht des Mieters Bezug genommen („Mieter erhalten kein Leistungsver-
weigerungsrecht nach der Grundregel des §1. Sie bleiben damit nach all-
gemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet […]“)54.
Nach Ansicht von Drygala könnte indes der Sinn und Zweck von
Art.240 §2 Abs.1 EGBGB gegen einen Ausschluss der Mietzahlungspflicht
nach den allgemeinen Bestimmungen sprechen. Nach dem Willen des Ge-
setzgebers, so Drygala, soll das Gesetz den Leistungsverkehr so weit wie
möglich aufrechterhalten und der Kündigungsschutz deshalb die einzige
Hilfe für den Mieter sein.55 Allerdings ist dieser Schluss nicht zwingend. Es
stimmt zwar, dass der Gesetzgeber sich bewusst gegen ein allgemeines pan-
demiebedingtes Leistungsverweigerungsrecht für Mieter entschieden hat.
Dies ist auch sicher deshalb geschehen, weil der Gesetzgeber eine generelle
Überwälzung von pandemiebedingten wirtschaftlichen Einbußen von
Mietern auf die Vermieter als nicht interessengerecht angesehen hat. Das
bedeutet allerding nicht, dass der Sinn und Zweck der Regelung einem
Entfallen bzw. einer Reduktion der Miete dort entgegensteht, wo dies be-
reits nach den allgemeinen Vorschriften der Fall wäre. Vielmehr wollte der
Gesetzgeber lediglich nicht auch für die darüberhinausgehenden Fälle ein
Leistungsverweigerungsrecht einführen. Wo eine Leistungsverweigerung
oder -reduktion vor der Krise interessengerecht schien, dürfte sie es wohl
nach Ansicht des Gesetzgebers auch in der Krise noch sein. Das Vermieter
im Rahmen der Corona-Krise zulasten der Mieter besser gestellt werden
sollten, lässt sich dem Gesetz oder der Gesetzesbegründung jedenfalls an
keiner Stelle entnehmen.
Als „allgemeine Grundsätze“, die mit Blick auf die Corona-Krise zu
einem Wegfall bzw. einer Reduktion der Miete führen könnten, werden
insbesondere die Mietminderung nach §536 Abs.1 BGB, die Unmöglich-
52 BT-Drucks. 19/18110, S.36.
53 So i.E. auch M.-P. Weller/C. Thomale, Gewerbemietrecht - Mietminderung in der
Corona-Krise BB 2020, S.962; a.A. wohl T. Drygala, Corona und ausbleibende Ge-
werbemieten (Fn.6).
54 BT-Drucks. 19/18110, S.36.
55 T. Drygala, Corona und ausbleibende Gewerbemieten (Fn.6).
Jonas David Brinkmann
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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