Page - 168 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
Image of the Page - 168 -
Text of the Page - 168 -
§538 BGB a.F (heute §536a Abs.1 BGB) in Betracht und §537 BGB a.F.
(heute §536 BGB) sehe eine mit den Rechtsfolgen des §323 BGB a.F. (heu-
te §326 BGB) übereinstimmende Regelung vor, sodass das Mietrecht keine
besonderen Wertungen enthalte, die einer Anwendung von §§275, 323
BGB a.F. (heute §§275, 326 BGB) entgegenstünden.89 Auch wenn es sich
um eine bloße zeitweise Unmöglichkeit handele, könne diese, insbesonde-
re wenn nicht absehbar sei, wann das Verbot wieder aufgehoben werde,
einer endgültigen Unmöglichkeit gleichstehen.90 Deshalb könne in sol-
chen Fällen aus dem Gebot von Treu und Glauben folgen, dass dem Ver-
pächter „die Aushaltung des Vertrags nicht anzusinnen ist“.91 Hierbei sei
eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen, in die man
auch die Unsicherheit einbeziehen müsse, dass der Pächter nach Beendi-
gung des Verbots seine wirtschaftliche Tätigkeit eventuell nicht mit einem
Erfolg wieder aufnehmen könne, „die eine Erfüllung seiner Zahlungs-
pflicht gegenüber dem [Verpächter] ermöglicht“.92
Letztlich dürfte diese Rechtsprechung unterdessen überholt sein und
zur Lösung der Fragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kei-
ne Relevanz mehr haben. Nicht nur scheint die Annahme, dass durch all-
gemeine Nutzungsbeschränkungen der Vertragsgegenstand „selbst getrof-
fen“ sei, vor dem Hintergrund der neueren BGH-Rechtsprechung im vor-
genannten Urteil zum Nichtraucherschutzgesetz93 fraglich. Zudem sind
die vom RG angenommenen Rechtsfolgen nicht sachgerecht. Dies gilt ins-
besondere für die Annahme dass wegen unverschuldeter vorübergehender
nachträglicher Unmöglichkeit die beiderseitigen Leistungspflichten erlö-
schen und der Vermieter – sollte der Mieter nicht zur Zahlung der Miete
bereit sein – Räumung verlangen können soll. Die Gefahr, dass die Coro-
na-Krise für Mieter zum Verlust der Mieträume führen würde, sollte aus
Sicht des Gesetzgebers schließlich gerade vermieden werden, weshalb des
Art.240 §2 EGBGB geschaffen wurde. Andererseits wird man sich aber
auch nicht darauf beschränken können dem Urteil nur zu entnehmen,
dass behördliche Schließungen einen Mangel der Miet- oder Pachtsache
darstellen. Denn damit würde der im Urteil vorgenommene Interessenaus-
gleich unzulässig beschränkt. Das RG hat erkannt, dass die Annahme eines
Mangels im Interesse des Mieters einen Ausgleich für den Vermieter erfor-
dert, der ebenso wenig für die Umstände verantwortlich ist.
89 RGZ 89, 203 (207).
90 RGZ 89, 203 (206).
91 RGZ 89, 203 (205f).
92 RGZ 89, 203 (206).
93 BGH NJW 2011, 3151.
Jonas David Brinkmann
168
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
back to the
book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245