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Gegenleistungspflicht sowie des vertraglich vereinbarten Austauschverhält-
nisses.109 Der Regelung in §326 Abs.1 BGB liegt also ebenfalls die Überle-
gung zugrunde, dass der Schuldner nicht an sein Versprechen gebunden
sein soll, wenn er nicht bekommt, was ihm versprochen wurde.110 Auch
bei §326 Abs.1 BGB ist die Wirkung deshalb ipso iure und unabhängig
vom Verschulden des Gläubigers. Damit geht es sowohl bei §536 BGB als
auch bei §326 BGB um die Verteilung der „Preisgefahr“. Wenn das beson-
dere mietrechtliche Gewährleistungsrecht dem Vermieter die „Preisgefahr“
für bestimmte Umstände nicht zuweist, würde ein Rückgriff auf das allge-
meine Schuldrecht diese Wertung unterlaufen, wenn hierdurch die Preis-
gefahr für diese Umstände letztlich doch auf den Vermieter übergewälzt
wird.
Zudem stellt sich bei einem Rückgriff auf §§326, 275 BGB die Frage, ob
der Vermieter – wenn ihm vorgehalten wird, er habe keinen Anspruch auf
die Miete weil er seine vertraglichen Leistungspflichten nicht erfüllen wür-
de – nicht auch Herausgabe der Räume, mithin die Räumung der Mietsa-
che, verlangen können müsse. Dass der Mieter weiterhin im Besitz der
Mietsache bleiben darf, aber der Vermieter keine Gegenleistung für die Be-
sitzüberlassung bekommt, scheint jedenfalls kein überzeugendes Ergeb-
nis.111 Dies entspricht auch der Auffassung des RG im oben genannten Ur-
teil, das dem Vermieter die Überlassung der Mietsache ohne Anspruch auf
die Miete für nicht zumutbar gehalten hat.112 Wenn dies allerdings mit
Blick auf die mangelhafte Leistung des Vermieters gilt, so wird dies es erst
Recht dann gelten müssen, wenn man – ohne einen Mangel zu bejahen –
die Leistungspflicht des Mieters unter Rückgriff auf das allgemeine Leis-
tungsstörungsrecht herleitet.
109 C. Herresthal, in: Beck-online.GROSSKOMMENTAR, München Stand
01.06.2019, §326 BGB Rn.2.
110 J. D. Brinkmann, Rücktritt und verbraucherschützender Widerruf, Berlin 2018,
S.176.
111 Hier käme allerdings eine Lösung über §313 BGB in Betracht – der Umweg
über §§326, 275 BGB zu §313 BGB scheint insofern allerdings überflüssig und
eine unmittelbare Anwendung von §313 BGB näherliegend, hierzu sogleich,
unter C.IV.
112 RGZ 89, 203.
Jonas David Brinkmann
172
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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