Page - 230 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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Weigerung zur DurchfĂĽhrung einzelner Weisungen
Regelmäßig wird der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung ohnehin nicht
gänzlich verweigern, sondern sich lediglich einzelner Weisungen unter
Verweis auf die bestehende Pandemie entziehen wollen. Im Hinblick auf
die geltenden Mobilitätseinschränkungen können Arbeitnehmer vor allem
gewillt sein, ihre Arbeitsleistung am Wohnsitz zu erbringen, um dem Risi-
ko einer Infektion im Betrieb zu entgehen. Ein allgemeiner Anspruch des
Arbeitnehmers auf Homeoffice besteht allerdings auch während der Coro-
napandemie nicht.18 Ein solcher kann sich aber ausnahmsweise aus arbeits-
vertraglichen Schutzpflichten ergeben, wenn einem Arbeitnehmer mit hö-
herem Infektionsrisiko, der seine Arbeitsleistung ohne erhebliche Ein-
schränkungen von zu Hause erbringen kann, der Weg zu seinem Arbeits-
platz nicht zugemutet werden kann.19 Lässt der Arbeitgeber in der Pande-
mie einen Teil der Belegschaft aus dem Homeoffice arbeiten, kann sich fĂĽr
den ĂĽbrigen Teil ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehand-
lungsgrundsatz ergeben, soweit eine Ungleichbehandlung einzelner Ar-
beitnehmer nicht gerechtfertigt werden kann.20
Umgekehrt stellt sich die Frage, ob die einseitige Anordnung der
DurchfĂĽhrung von Homeoffice-Arbeiten durch den Arbeitgeber von des-
sen Weisungsrecht nach §106 S.1 GewO gedeckt ist. Eine entsprechende
Weisung wird sich regelmäßig wohl in den Grenzen des billigen Ermes-
sens bewegen, berĂĽcksichtigt man, dass es sich hierbei um eine vom RKI
empfohlene MaĂźnahme zur Reduktion der Infektionsrisiken handelt, die
gerade auch dem Schutz der Gesundheit des angewiesenen Arbeitnehmers
selbst dient.21 Freilich hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Betriebsmit-
III.
18 E. Dehmel/N. Hartmann, BB 2020, 885, 886; A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020,
1112, 1115; allgemein zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf häusliches Ar-
beiten Picker, ZfA 2019, 269.
19 E. Dehmel/N. Hartmann, BB 2020, 885, 886; A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020,
1112, 1115.
20 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1115.
21 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1114; M Fuhlrott/K. Fischer, NZA 2020,
345, 349f.; S. Krieger/T. Rudnik/A. Povedano Peramato, NZA 2020, 473, 475; diffe-
renzierend E. Dehmel/N. Hartmann, die unter Verweis auf Art.13 GG eine Pflicht
zur Arbeit im Homeoffice und zur Duldung der Einrichtung eines heimischen
Arbeitsplatzes grundsätzlich ablehnen, die Anordnung der Arbeit im Mobile-Of-
fice aber im Pandemiefall für zulässig erachten, BB 2020, 885, 886, 888; a.A. A.
Groeger, ARP 2020, 106, 107, unter Verweis auf LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v.
14.11.2018 – 17 Sa 562/18; M. Weber, ARP 2020, 120, 122.
Stephan Klawitter
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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book Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Title
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Author
- Daniel Effer-Uhe
- Editor
- Alica Mohnert
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 258
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik
Table of contents
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