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Der Weg ins Freie
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Alle waren einverstanden. Georg eilte rasch aufs Zimmer, um Umhüllen zu holen. Als er wieder herunterkam, fand er die andern bereit zum Fortgehen an der Tür des Parks stehen. Er half Anna in ihren hellgrauen Mantel, hing Therese seinen eigenen, langen Überzieher um die Schultern und behielt einen dunkelgrünen Plaid über dem Arm. Sie gingen langsam durch die Allee, bis zu der Stelle, wo Kähne verankert lagen. Zwei Schiffer führten die Gesellschaft mit raschen Ruderschlägen aus der Dunkelheit des Ufers in das schwärzlich glänzende Wasser hinaus. Unnatürlich riesenhaft ragten die Berge zum Himmel auf. Die Sterne waren nicht sehr zahlreich. Kleine, graublaue Wölkchen hingen in der Luft. Die Ruderer saßen auf zwei quergelegten Brettern; in der Mitte des Kahns auf schmalen Bänken, einander gegenüber, die beiden Paare: Georg und Anna, Demeter und Therese. Alle waren zuerst ganz schweigsam. Erst nach einigen Minuten unterbrach Georg die Stille. Er nannte den Namen des Berges, der den See nach Süden abschloß, machte auf ein Dorf aufmerksam, das wie in unendlicher Entfernung an einer Felsenlehne ruhte und doch in einer Viertelstunde zu erreichen wäre; erkannte das weiße, leuchtende Haus auf der Höhe über Lugano als das Hotel, in dem Demeter und Therese wohnten, und erzählte von einem Spaziergang, den er neulich unternommen, zwischen besonnten Weinbergen weit ins Land hinein. Anna hielt unter dem Plaid, während er sprach, seine Hand gefaßt. Demeter und Therese saßen ernst und korrekt nebeneinander, gar nicht wie Liebesleute, die einander erst vor kurzem gefunden haben. Nun erst gewann Georg für Therese allmählich seine Neigung zurück, die während ihres lauten, heftigen Redens beinahe geschwunden war. Wie lang wird diese Geschichte mit Demeter währen? dachte er. Wird sie zu Ende sein, wenn der Herbst da ist, oder wird sie am Ende so lange oder länger dauern, als meine mit Anna? Wird diese Fahrt auf dem dunkeln See auch einmal eine Erinnerung an vollkommen Entschwundenes sein, so wie die Fahrt auf dem Veldeser See mit dem Bauernmädel, die mir jetzt seit Jahren zum erstenmal wieder einfällt… wie die Reise mit Grace übers Meer? Wie seltsam. Anna hält meine Hand, ich drücke sie, und wer weiß, ob sie nicht in diesem Augenblick ganz ähnliches in Hinsicht auf Demeter empfindet, wie ich in Hinsicht auf Therese? Nein, doch nicht… sie trägt ein Kind unter ihrem Herzen, das sich sogar schon regt… Deswegen… ach Gott… Auch mein Kind ist es ja… Nun fährt unser Kind auf dem See von Lugano spazieren… Werd ich es ihm einmal erzählen, daß es vor seiner Geburt auf dem See von Lugano herumgefahren ist… ? Wie wird das alles nun werden? In wenigen Tagen ist man wieder in Wien. Existiert denn dieses Wien überhaupt? Es ersteht erst langsam wieder, während wir zurückfahren… Ja, so ist es… Sobald ich zu Hause bin, wird ernstlich gearbeitet. Ich werde 176
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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