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Der Weg ins Freie
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Villenweg, der an dieser Stelle das Tal durchquerend nach abwärts bog. In wenigen Minuten befand er sich auf der Straße, an deren Ende waldesnah, neben bescheidenen, gelben Parterrehäuschen, nur durch die Balkonmansarde mit dem dreieckigen Holzgiebel über jene erhöht, die kleine Villa stand, in der Anna wohnte. Er durchschritt das Vorgärtchen, wo inmitten des Rasens zwischen Blumenbeeten, auf viereckigem Postament, der kleine blaue Tonengel ihn grüßte; den schmalen Gang, neben dem die Küche lag, das kahle Mittelzimmer, auf dessen Boden durch die schadhaften grünen Jalousien Sonnenlinien hinspielten, und trat auf die Veranda. Er wandte sich nach links und warf einen Blick durchs offne Fenster in Annas Zimmer, das er leer fand. Nun ging er im Garten längs der Fliederbüsche und Johannisbeerstauden nach aufwärts, und schon von weitem sah er Anna unter dem Birnbaum auf der weißen Bank sitzen, in ihrem weiten blauen Kleide. Sie sah ihn nicht kommen, schien ganz in Gedanken versunken. Er näherte sich langsam. Noch immer blickte sie nicht auf. Er liebte sie sehr in solchen Augenblicken, da sie sich unbeobachtet wähnte und auf ihrer klaren Stirn unbeirrt die Gütigkeit und der Friede ihres Wesens ruhten. Sonnenkringel zitterten auf dem Kies zu ihren Füßen. Ihr gegenüber, auf dem Rasen, lag schlafend die fremde Bernhardinerhündin. Das Tier war es, das, erwachend, Georgs Kommen zuerst bemerkte. Es erhob sich, und schwerfällig trappelte es Georg entgegen. Jetzt sah Anna auf, und ein beglücktes Lächeln schwebte über ihre Züge. Warum bin ich so selten da, fuhr es Georg durch den Sinn. Warum wohn ich nicht heraußen und arbeite oben auf dem Balkon unter dem Giebel, wo man die hübsche Aussicht auf den Sommerhaidenweg hat? Die Stirne war ihm feucht geworden, so heiß brannte noch immer die Spätnachmittagssonne. Er stand vor Anna, küßte sie auf Aug’ und Mund und setzte sich an ihre Seite. Das Tier war ihm nachgeschlichen und streckte sich zu seinen Füßen hin. »Wie gehts, mein Schatz?« fragte er, indem er seinen Arm um ihren Nacken legte. Es ging ihr sehr gut, wie gewöhnlich, und heute war ein besonders schöner Tag gewesen. Seit dem Morgen schon war sie sich ganz selbst überlassen, denn Frau Golowski hatte wieder einmal in die Stadt fahren müssen, um nach den Ihren zu sehen. Es war wirklich nicht übel, manchmal so völlig allein mit sich zu bleiben. Da konnte man sich ungestört in seine Träume versenken. Es waren freilich immer dieselben, aber sie waren so hold, daß man ihrer nicht müde wurde. Von ihrem Kinde hatte sie sich träumen lassen. Wie sehr liebte sie es schon heute, noch ehe es geboren war. Nie hätte sie das für möglich gehalten. Ob Georg es denn auch verstünde?… und da er versonnen nickte, 194
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Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
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