Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Der Weg ins Freie
Page - 201 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 201 - in Der Weg ins Freie

Image of the Page - 201 -

Image of the Page - 201 - in Der Weg ins Freie

Text of the Page - 201 -

nach Hause genommen hätte. Georg erzählte von Wanderungen durch die alten Kaiserpaläste, von Fahrten durch die Campagna im Abendglanz, von einer gewitterschwülen Stunde im Garten des Hadrian. Doktor Stauber bat ihn aufzuhören, sonst könnte es geschehen, daß er alle seine Patienten hier im Stich ließe, um geradewegs nach der vielgeliebten Stadt zu entfliehen. Dann erkundigte sich Georg höflich nach Doktor Berthold. Ob es auf Wahrheit beruhe, daß ihn schon der nächste Winter wieder politisch tätig finden werde. Doktor Stauber zuckte die Achseln. »Er kommt im September zurück. Das ist vorläufig das einzig Sichere. Bei Pasteur ist er sehr fleißig gewesen, und hier im pathologischen Institut will er eine große Serumarbeit weiterführen, die er in Paris begonnen hat. Wenn er mir folgt, bleibt er dabei. Das was er jetzt macht, ist doch wichtiger für die Menschheit als die schönste Revolution, meiner unmaßgeblichen Meinung nach. Freilich, die Talente sind verschieden, und gegen gelegentliche Umstürze habe ich gewiß nichts einzuwenden. Aber unter uns, das Talent meines Sohnes liegt doch mehr auf der wissenschaftlichen Seite. Nach der andern Richtung treibt ihn mehr das Temperament… vielleicht ausschließlich die Galle. Na, wir werden ja sehen. Aber wie stehts denn mit Ihren Plänen für den Herbst?« fügte er plötzlich hinzu und sah Georg mit seinem gutmütig-väterlichen Blick an. »Wo werden Sie den Taktstock schwingen?« »Ja wenn ich das schon selber wüßte«, erwiderte Georg. Und während er dem Arzt, der mit halbgeschlossenen Lidern, die Zigarre im Mund, ihm zur Seite ging, in betonter Wichtigkeit von seinen Bemühungen und Aussichten erzählte, glaubte er zu fühlen, daß alles, was er sagte, von Doktor Stauber nur als Rechtfertigungsversuch für das Aufschieben seiner Verheiratung mit Anna aufgefaßt würde. Eine leichte Gereiztheit gegen sie stieg in ihm auf, die hinter ihnen herging und vielleicht ihre stille Freude daran hatte, daß er von Doktor Stauber gleichsam ins Gebet genommen wurde. Absichtlich schlug er einen immer leichtern Ton an, als hätten seine persönlichen Zukunftspläne mit Anna überhaupt nichts zu tun und sagte endlich lustig: »Ja, wer weiß wo ich im nächsten Jahr um diese Zeit bin, am Ende in Amerika.« »Das wäre nicht das Schlimmste«, erwiderte Doktor Stauber ruhig. »Ich habe einen Vetter, der ist Violinspieler in Boston, ein gewisser Schwarz, der verdient dort mindestens sechsmal soviel, als er hier an der Oper gehabt hat.« Georg liebte es nicht, mit Violinspielern namens Schwarz verglichen zu werden und behauptete daher mit einer Bestimmtheit, die er selbst als übertrieben empfand, daß es ihm für den Anfang überhaupt nicht aufs Geldverdienen ankäme. Plötzlich, er wußte nicht, woher der Gedanke ihm kam, fuhr es ihm durch den Sinn: Wenn Anna stirbt!… Wenn das Kind ihr 201
back to the  book Der Weg ins Freie"
Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Weg ins Freie