Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Der Weg ins Freie
Page - 247 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 247 - in Der Weg ins Freie

Image of the Page - 247 -

Image of the Page - 247 - in Der Weg ins Freie

Text of the Page - 247 -

andere. Es gab wirklich viel zu wenig Worte. Für den einen geht man in den Tod, mit dem andern liegt man im Bett, – vielleicht noch in der Nacht, eh man sich für den einen ertränkt. Und was beweist ein Selbstmord am Ende? Vielleicht nur, daß man in irgendeinem Augenblick den Tod nicht recht verstanden hat. Wie wenige versuchen es noch einmal, wenn es ihnen einmal mißglückt ist. Das Gespräch mit Grace fiel ihm ein, an Labinskis Grab, das glühend-kalte, an dem sonnigen Februartag im schmelzenden Schnee. In jener Stunde hatte sie ihm gestanden, daß sie von keinem Grauen erfaßt worden war, als sie Labinski erschossen vor ihrer Wohnungstür gefunden hatte. Und als vor vielen Jahren ihre kleine Schwester gestorben war, hatte sie eine Nacht lang am Totenbett gewacht, ohne auch nur eine Spur von dem zu empfinden, was andere Menschen Grauen nannten. Aber etwas, das diesem Gefühle ähnlich sein mochte, so erzählte sie Georg, hatte sie in der Umarmung von Männern kennen gelernt. Zuerst war ihr das selbst rätselhaft gewesen, später glaubte sie es zu verstehen. Sie war nach der Aussage von Ärzten zur Unfruchtbarkeit bestimmt, und darum mußte es wohl geschehen, daß der Augenblick der höchsten Lust, durch dieses Verhängnis gleichsam sinnlos geworden, ihr wie in ahnungsvollen Schauder versank. Dies war Georg damals wie ein affektiertes Gerede erschienen, heute zum erstenmal spürte er einen Hauch von Wahrheit darin. Sie war ein seltsames Geschöpf gewesen. Ob ihm noch einmal ein Wesen solcher Art begegnen würde? Warum nicht? Am Ende bald. Nun fing ja eine neue Epoche seines Lebens an, und irgendwo wartete vielleicht schon das nächste Abenteuer. Abenteuer… ? Durfte er daran noch denken… ? Hatte er von heute an nicht ernstere Verpflichtungen als je? Liebte er Anna nicht mehr, als je zuvor… ? Das Kind war tot… Aber das nächste würde leben… ! Heinrich hatte wahr gesprochen: Anna war dazu bestimmt, Mutter zu werden. Mutter… Aber, dachte er fröstelnd, ist sie denn auch bestimmt, Mutter meiner Kinder zu werden?… Der Wagen hielt. Georg stieg aus, ging die zwei Treppen hinauf in seine Wohnung. Felician war noch nicht zu Hause. Wer weiß, wann er kommt? dachte Georg. Ich kann ihn nicht erwarten, ich bin zu müd. Er entkleidete sich rasch, sank ins Bett, und tiefer Schlaf nahm ihn auf. Als er erwachte, suchten seine Augen durchs Fenster, wie er es nun seit Tagen gewohnt war, eine weiße Linie, zwischen Wald und Wiesen: den Sommerhaidenweg. Er sah aber nur einen bläulichen, leeren Himmel, in den eine Turmspitze sich bohrte, mit einemmal wußte er, daß er zu Hause war, und alles, was er gestern erlebt hatte, fiel ihm ein. Doch fühlte er Leib und Seele morgenfrisch, und ihm war, als hätte er außer dem Traurigen, das geschehen war, sich auch irgendeiner günstigen Sache zu entsinnen. Ach ja. Das Telegramm aus Detmold… War das denn etwas so Günstiges? Gestern Abend hatte er es nicht so empfunden. 247
back to the  book Der Weg ins Freie"
Der Weg ins Freie
Title
Der Weg ins Freie
Author
Arthur Schnitzler
Date
1908
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
306
Keywords
Literatur, Wien, Gesellschaft, Sozialismus
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 2
  2. Kapitel 2 49
  3. Kapitel 3 75
  4. Kapitel 4 93
  5. Kapitel 5 125
  6. Kapitel 6 181
  7. Kapitel 7 212
  8. Kapitel 8 222
  9. Kapitel 9 255
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Weg ins Freie