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Erlöser 17
Treitschke persönlich angegriffen wurde. Der »Herold der Bismarck’schen Reichsgrün-
dung« sah die deutschnationale Einheitsbewegung durch eine »nationale Sonderexis-
tenz« der deutschen Juden, insbesondere auf akademischer Ebene, massiv bedroht : »Die
Juden sind unser Unglück !«5 Graetz wies die ihm unterstellten nationaljüdischen Be-
strebungen vehement zurück6 und wurde dabei von dem gleichaltrigen Historiker Theo-
dor Mommsen (1817–1903) unterstützt, der in seiner Römischen Geschichte (1854–1885)
bei der Darstellung der »Jüdischen Kriege« auch auf Graetz’ Geschichtswerk zurück-
gegriffen hatte.
Im vierten, 1908 in vierter Auflage erschienenen Band seiner Geschichte der Juden be-
handelte Graetz ausführlich, unter Einarbeitung aller damals bekannten antiken, römi-
schen, jüdischen und christlichen Quellen sowie neuerer historischer und theologischer
Abhandlungen, den Bar Kochba-Aufstand (132 bis 135 n. Chr.), den Wolfgang von
Weisl dramatisierte, unter wiederholter Einblendung jedoch auch der beiden vorange-
gangenen jüdischen Rebellionen gegen die römische Herrschaft, die deshalb hier in
gebotener Kürze rekapituliert werden sollen.
Der erste, 66 n. Chr. ausgebrochene, von den Zeloten, der radikalsten jüdischen
Gruppierung, angeführte Aufstand (»Erster Jüdischer Krieg«) war 70 n. Chr. mit der
Eroberung Jerusalems und der Zerstörung des zweiten jüdischen Tempels durch die
Römer unter dem Kommando von Titus (dem Sohn Kaiser Vespasians) niedergeschla-
gen worden. Die Juden wurden massenhaft gekreuzigt oder in entlegene römische
Provinzen deportiert und versklavt. Die etwa tausend Überlebenden zogen sich auf
das Felsplateau Masada am Toten Meer zurück und nahmen sich vier Jahre später, 74
n. Chr., – kurz vor der Einnahme ihres Festungslagers durch die Römer – gemeinsam
das Leben. Dieser kollektive Suizid gilt bis heute als nationales Symbol eines todesmu-
tigen Freiheitskampfes des jüdischen Volkes im eigenen Land.
Die zweite jüdische Rebellion gegen das römische Imperium wird als »Diaspora-
aufstand« (115 bis 118 n. Chr.) bezeichnet. Dieser brach in Nordafrika (Libyen) aus
und breitete sich über mehrere jüdische Siedlungsgebiete östlich und südlich des Mit-
telmeers bis in die römische Provinz Judäa aus, wo – nach jüdischer Überlieferung –
zwei aus Alexandria stammende Juden namens Julianus und Pappos, die auch in Weisls
Schauspiel auftreten, als Führer der Aufständischen agiert haben sollen. Nach der Nie-
derschlagung der Erhebung durch die Römer waren die beiden Rebellen im letzten Au-
genblick, am 12. Adar, dem zwölften Monat im jüdischen Religionskalender, dank der
von Kaiser Trajan noch kurz vor seinem Tod (8.
August 117) angeordneten Abberufung
5 Heinrich von Treitschke : Unsere Aussichten. In : Preußische Jahrbücher (Berlin) 44 (1879), S.
575.
6 Heinrich Graetz : Erwiderung an Herrn von Treitschke. In : Schlesische Presse (Breslau), Nr. 859,
7.
Dezember 1879.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355