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Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 27
antizionistischen, pazifistischen Außenseiter Dr. Jizchak Josef de Vriendt. Signifikant
sind schon die sprechenden Namengebungen der beiden Figuren : Hier der friedlie-
bende de Vriendt (dt. »Freund«), dort der militante, fesche Offizier Marschalkowicz,
der als »jüngerer Mann«, »hübscher Journalist, schlank über den Hüften und den hoch-
mütigen Kopf im Nacken« in Erscheinung tritt, »in hohen Stiefeln, ein Monokel23 im
Auge und ein schwarzes Käppchen auf dem Scheitel«, angetan mit einer »weißen, eng
anliegenden Litewka«24 »und geschnittenen Reithosen«. »Feindselig« und »ärgerlich er-
rötend«25 mischt er sich in das »Palaver« (so heißt das betreffende Romankapitel) einer
Gruppe gemäßigter, »linker« Zionisten ein, vorwiegend deutscher und österreichischer
Provenienz, die in der nahe Jerusalem gelegenen Siedlung Talpiot beraten, ob und wie
sie sich an der Beerdigung des ermordeten Gegners und Aguda-Führers de Vriendt
beteiligen sollen. Er denke nicht daran, platzt Marschalkowicz heraus, dem Verstor-
benen die letzte Ehre zu erweisen, und »bekräftigt seine Worte mit einem Schlag auf
den Oberschenkel«. Diesen Augenblick nützt der Erzähler zur ideologiekritischen
Charakterisierung des vorlauten Journalisten, der sich »strenggläubig« gab und »zu den
Wortführern der radikalen bürgerlichen Jugend« gehörte, »junger Nationalisten, die den
Araber als farbigen Eingeborenen bewerteten und hinter jedem Engländer einen poli-
tischen Intriganten witterten.«26 Dagegen ergreift der Erzähler freimütig Partei für die
Histadrut, die er als »mächtige Gesamtorganisation aller jüdischen Arbeiter, der städ-
tischen Gewerkschaften wie der Landarbeiter« rühmt ; sie »stelle die Elite dar« : »Auf
der Hingabe ihrer Mitglieder mindestens so sehr wie auf den Kapitalien der Fonds ruhe
der Aufbau Palästinas.«27 Für den antisozialistischen Marschalkowicz bedeutet diese
solidarische Wertschätzung der Histadrut eine unerträgliche Provokation, die »böse
knurrend« zurückzuweisen er sich genötigt sieht.
Das »Palaver« der Histadrut-Funktionäre endet dann doch mit deren Bereitschaft,
»den de Vriendt zu Grabe zu begleiten«. Ein letztes Mal gestattet der Erzähler dem
ungestümen Marschalkowicz das Wort zu ergreifen. Mit »kleinen Falten zwischen den
schmalen Brauen eines gut aussehenden brünetten Jungen« mustert dieser »mit überle-
genem Hohn« seine »Gegner« : »diese schlappschwänzigen, weichherzigen Deutsch-Ju-
den und Austro-Juden«, die er mit seinem Auftritt »gründlich in Verlegenheit gebracht«
23 Das Monokel, das Weisl häufig trug, erwähnt er auch selbst in seinen Memoiren mit Bezug auf
Arnold Zweigs Marschalkowicz mehrmals selbstironisch als »feudales Symbol« (LWV 191).
24 Litewka (poln.) : zweireihige, waffenrockartige Offiziersuniformjacke.
25 Arnold Zweig : De Vriendt kehrt heim … (Anm.
11), S.
138.
26 Ebda ; zur pejorativen Bedeutung der von WvW öfter verwendeten Bezeichnung »Eingeborene« vgl.
auch LWV 59.
27 Zweig : De Vriendt kehrt heim … (Anm.
11), S.
138
f.
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355