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32 A. Kontexte, Aspekte, Kommentare
sische Verwaltung abgetreten worden. Erst im Friedensvertrag von Sèvres (10. August
1920) wurde Obergaliläa mit den jüdischen Siedlungen Tel Chai, Metulla, Hamrah und
Kfar Giladi endgültig der britischen Mandatsmacht über Palästina einverleibt.
Das ZeitgerĂĽst des Romans erweist sich als eine bewusste, dreifache Horizontver-
schmelzung der biblischen Vorzeit mit der erzählten Moderne (Palästina 1920/21)
sowie seiner Erzähl- bzw. Entstehungs- und Publikationszeit (1932–1939), in der die
nationalsozialistische Machtübernahme in Deutschland erfolgte und der »Anschluss«
Ă–sterreichs durch den Einmarsch der Hitler-Truppen auf dem Wiener Heldenplatz
politisch und militärisch besiegelt wurde.
Auf eine Reihe früherer und späterer, für die politische Entwicklung Palästinas rele-
vanter historischer Daten wird im Roman mehr oder minder explizit verwiesen : so auf
das geheime Sykes-Picot-Abkommen (1915/16), die Balfour-Deklaration vom 2. No-
vember 1917, die territorialen englisch-französischen Verhandlungen zwischen David
Lloyd George und Georges Clemenceau (27.Â
November 1919) sowie auf die Konferenz
von San Remo (19. bis 26.Â
April 1920) zur Vorbereitung des schon erwähnten Vertrags
von Sèvres, ferner die Pessach- bzw. Nabi-Musa-Unruhen vom 4. bis 7. April 1920 in
Jerusalem, dann die im März 1921 durch den britisch-jüdischen Oberkommissär Paläs-
tinas Herbert Louis Samuel verordnete Ernennung des fanatischen Antisemiten Mo-
hammed Amin al-Husseini zum GroĂźmufti von Jerusalem, das Jaffa-Pogrom vom 1. bis
7.Â
Mai 1921, die GrĂĽndung der Hebräischen Universität in Jerusalem am 1.Â
April 1925
u. a. m.
Der hervorstechendste und brisanteste Zeitsprung bis in die unmittelbare politische
Erzählgegenwart findet sich in dem weitläufig über mehrere Kapitel geschilderten Pu-
rim-Maskenfest in Tel Aviv im Frühjahr 1921 zum Andenken an die »wundersame«
Errettung der persischen Juden durch die jüdische Königin Esther im gleichnamigen
Buch der Bibel. Ganz unvermittelt wird im Roman der Judenschlächter Haman als
»Reichskanzler« apostrophiert und so demonstrativ mit Hitler gleichgesetzt (AWI 274).
Diese kühne, den deutschen Nazi-Führer als Massenmörder demaskierende Einblen-
dung des biblischen »Wunders« in die Schilderung des Purim-Fests wurde in der dritt-
letzten Romanfolge am 19.Â
Februar 1939 in der »Medina Iwrit« veröffentlicht, kurz vor
dem Einmarsch von Hitlers Truppen in Prag und der Besetzung des Nazi-»Protektorats
Böhmen und Mähren«.
Das Purim-Fest des Romans manifestiert sich als ein dichtes Geflecht aktueller po-
litischer Bezüge. So wurde ja die Gleichsetzung von Haman und Hitler im »Dritten
Reich« nicht nur von den Juden praktiziert, sondern auch von den Nazis selbst, freilich
mit gegensätzlicher Sinngebung. Den Juden erschien Hitler als Reinkarnation des bib-
lischen Judenschlächters Haman, in beiden »Reichskanzlern« erblickten sie barbarische,
massenmörderische Tätergestalten. Die Nazis hingegen stilisierten Haman und Hitler
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355